Politik 2004

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"Volksabstimmung über türkischen EU-Beitritt,
denn Politiker kommen heute und gehen morgen,
aber das Volk bleibt und leidet"

Italien wehrt sich gegen die Multikultur, den türkischen Beitritt zur EU. Was uns erwartet ist ein neues Kosovo überall in Europa, besonders in Deutschland. Italien möchte diesem Schicksal nicht erliegen, so die Liga-Nord. Denn dieser Prozeß, des türkischen EU-Beitritts, berühre die "epochale Frage" nach der Identität Europas, die für die Entwicklung des Kontinents auf Jahrhunderte hinaus prägend und entscheidend sein werde. Keineswegs dürfe Italien durch solch einen Entscheid zu einem "neuen Kosovo" werden.

Die Welt, 21.10.2004, Seite 6

Liga Nord stört sich plötzlich an einem EU-Beitritt der Türkei

Berlusconi muß um seine Koalition fürchten

von Paul Badde

Rom - Italien liegt näher an der Türkei als die Türkei an Deutschland. Dennoch scheint die Entfernung zwischen Rom und Ankara größer als die zwischen Berlin und Ankara.

Istanbul, das ehemalige "zweite Rom" Kaiser Konstantins, ist dem "ersten Rom" fremd geworden und jedenfalls weiter weg. ... Diesen Hintergrund gilt es bei der neuesten Krise mit zu bedenken, die Silvio Berlusconis Regierungsbündnis momentan erschüttert - bei dem sich plötzlich die Liga Nord entschieden gegen den bisherigen Regierungskurs auflehnt, der eine Aufnahme der Türkei in die erweiterte EU entschieden forderte und förderte.

Den Prozeß dieser Politik möchten die Rechtspopulisten aus dem Norden nun mit einem Referendum zu Fall bringen und umkehren. Der Premierminister selbst, weltanschaulich schillernd und kulturell eher indifferent, der vor Jahren noch mit dem Satz Furore machte, das Christentum sei eine dem Islam überlegene Religion (weil "wir" einen Mozart und einen Michelangelo hervorgebracht haben und "sie" nicht), hat gleichwohl seit seinem Amtsantritt 2001 intensive Beziehungen zu Ankara aufgebaut und gepflegt. Die Förderung eines türkischen Beitritts zur Europäischen Union machte er auch auf europäischer Ebene zu einem Schwerpunkt seiner Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2003. ...

Ohne eine Volksabstimmung dürften die Aufnahmeverhandlungen mit Ankara nicht weitergehen, heißt es jetzt plötzlich aus der Liga Nord an der Seite des Premiers. Das werde die Liga auch in Brüssel fordern: Vor jeglichem definitiven Beschluß über einen EU-Beitritt der Türkei müsse das Volk in einem Referendum befragt werden, hat Justizminister Roberto Castelli, Spitzenpolitiker der Liga, am Sonntag gefordert. Denn dieser Prozeß berühre die "epochale Frage" nach der Identität Europas, die für die Entwicklung des Kontinents auf Jahrhunderte hinaus prägend und entscheidend sein werde. Keineswegs dürfe Italien durch solch einen Entscheid zu einem "neuen Kosovo" werden.

Deshalb genügten in dieser Frage auch keine Antworten und Entscheidungen von Regierungschefs, die heute kämen und morgen gingen. So sei es, pflichtete ihm auch Dario Galli in der Abgeordnetenkammer bei, denn die Türkei gehöre ja nicht nur "geographisch nicht zu Europa", auch ihre islamische Kultur sei "mit den christlichen Wurzeln unseres Kontinents unvereinbar". Vor den Türken bringt die radikale Weigerung der Rechtspopulisten zunächst aber vor allem die Regierungskoalition und Berlusconi selbst in peinliche Bedrängnis.

Der libysche Staatschef Muammar al Gaddafi wird nicht müde, vor der Türken-Gefahr im Rahmen eines EU-Beitritts der Türkei zu warnen. "Die sei ein 'orientalisches Land', das Europa stets als 'Arena für Eroberungen' betrachtet habe. Europa öffne arglos seinen Feinden die Tore, die im 'Trojanischen Pferd' Türkei Zugang nach Westen erhielten, so Gaddafi düster: 'Diesmal werden sie nicht an den Toren Wiens halten'." (Der Spiegel, Nr. 40, 27.9.2004, Seite 19)

"Hysterische Christenverfolgung" in der EU