Zeitgeschichte 2021

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Erstveröffentlichung dieses Artikels: 02/03/2021 - Quelle: NJ-Autoren

Deutsches Heldentum, deutscher Edelmut

Dokumentiert am Beispiel des Fregattenkapitäns Karl-August Nerger

Die "Piraten des Kaisers" unter dem Kommando von Fregattenkapitän Karl-August Nerger
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Die "SMS Wolf", 1913 gebaut, war ein umgebauter Frachter, der als "Wachtfels" in Dienst gestellt, wurde. Als "Kaperschiff" umgebaut erhielt der Dampfer den Namen "Wolf". Ausgerüstet  mit zehn Geschützen, vier Torpedorohren und mehr als 400 Wasserminen wurde der Dampfer zum erfolgreichsten Kaperschiff des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg. Ab 1916 hatte Kapitän Karl-August Nerger das Kommando über das Schiff übernommen.

Die "SMS" Wolf war ein Winzling im Vergleich zu Großlinienschiffen: gerade einmal 135 lang, 17 Meter breit, mit einer Geschwindigkeit von 10,5 Knoten und einer Verdrängung von 11.200 Tonnen (ein Großlinienschiff war mehr als doppelt so groß und so schnell). Dennoch versenkte die "SMS Wolf" 35 Handelsschiffe und 2 Kriegsschiffe. Die "Wolf" und ihre Besatzung legten in 15 Monaten (451 Tage) 120.000 Kilometer zurück. Eine Strecke also, die dem dreimaligen Erdumfang entspricht..

Die "SMS Wolf" war – wie die ähnlich erfolgreiche "Möve" – ein sogenannter Hilfskreuzer der Kaiserlichen Marine. Seine zusammengewürfelte Besatzung von 348 Mann wurden "Piraten des Kaisers" genannt. Die "Wolf" war perfekt als Handelsschiff getarnt und fuhr in den beiden letzten Kriegsjahren bis nach Australien und Papua Neuguinea. Ihr Auftrag: kapern, versenken, zerstören. Die die feindlichen Nachschublinien stören.

Fregattenkapitän Karl-August Nerger und seine Besatzung wurden "Piraten des Kaisers" deshalb genannt, weil sie wie Piraten aus alten Zeiten agierten. Sie wechselten die Beflaggung je nach Bedarf. Sie konnten nicht riskieren, einen Hafen anzulaufen. Sie konnten nur überleben, indem sie fremde Schiffe enterten, plünderten und versenkten. Und sie waren erfolgreich. In 451 Tagen, vom Auslaufen in Kiel am 30. November 1916, bis zur Rückkehr am 24. Februar 1918 kaperte die Wolf 40 feindliche Schiffe.

Kapitän Karl August Nerger

Fregattenkapitän Karl August Nerger

Die "Wolf" war mehr als ein Militärschiff in diesem dem Reich aufgezwungenen grausamen Krieg. Aufgrund der britischen Blockade der deutschen Seehäfen konnte die der britischen Navy hoffnungslos unterlegene Kriegsmarine nicht auslaufen, deshalb entschied sich die kaiserliche Admiralität, Handelsschiffe mit Kanonen zu bestücken und damit im Stil der frühneuzeitlichen Korsaren Jagd auf die Handelsschiffe der Entente-Staaten zu machen. Doch der Einsatz von großen, schnellen Dampfern scheiterte an der mangelnden Infrastruktur, da diese zu viel Kohle verbrauchten, denn die wenigen Nachschubmagazine im kleinen, ungesicherten deutschen Kolonialreich waren schon wenige Monate nach Kriegsbeginn in die Hände des Feindes gefallen.

Das gute Dutzend Schiffe, das ab 1916 auf Kaperfahrt auslief, war also ganz auf sich allein gestellt. Sie mussten so viel Kohle mit sich führen, um sich zunächst in den Weiten des Nordatlantiks an den britischen Patrouillen vorbeischleichen zu können. Damit sie nicht geortet werden konnten, durften sie keine Funksprüche absetzen. Wasser, Lebensmittel und Kohle mussten sie sich allein durch das Entern von feindlichen Schiffen beschaffen. Kein Wunder, dass nicht die Elite der Kaiserlichen Marine für diese Himmelfahrtskommandos ausgesucht wurde, sondern Außenseiter, Reservisten und aus anderen Gründen sich als fähig erwiesene Matrosen.

Auch Karl-August Nerger passte in dieses Bild. Zwar galt der Fregattenkapitän als "Navigationsgenie", das sich wie wenige auf den Weltmeeren zurechtfand. Aber er kam aus bürgerlichen Verhältnissen und lebte in wilder Ehe.

Am 30. November 1916 legte die "Wolf", die von der Bremer Reederei Hansa in Dienst gestellt worden war, in Kiel ab. Kapitän Nerger schlüpfte unter der Küste Norwegens und zwischen Island und Grönland durch die britische Blockade und erreichte wohlbehalten den Südatlantik. Dort begann er mit der Erfüllung seines wichtigsten Auftrags, den Nachschub des Feindes zu erschweren.

Dass die Hilfskreuzer dem gegnerischen Schiffsverkehr substantiellen Schaden würden zufügen können, hatte niemand in der kaiserlichen Admiralität wirklich erwartet. Dort setzte man zu diesem Zweck auf den uneingeschränkten U-Boot-Krieg. Aber die Hilfskreuzer sollten für Unsicherheit auf den Weltmeeren sorgen und damit zum Beispiel die Versicherungspolicen für zivile Schiffe in die Höhe treiben. Vor dem britischen Versorgungszentrum Kapstadt setzte Nerger seine gefährlichste Waffe ein: Minen. 465 hatte er davon an Bord. Er verteilte sie auch vor dem Horn von Afrika, den Häfen Indiens, Sri Lankas und Australiens.

Obwohl die "Wolf" nur 30 Tonnen Kohle pro Tag verbrauchte, musste sie schließlich auf Beutefang gehen. Dafür war sie mit zehn Geschützen und vier Torpedorohren ausgestattet worden. Ihre wichtigsten Waffen aber waren ein hochmodernes Funkgerät, mit dem der feindliche Funkverkehr abgehört wurde, und ein Albatros-Wasserflugzeug, genannt "Wölfchen", das Schiffe aus sehr großer Entfernung ausspähen konnte. Mit beidem ließen sich Schiffe orten, bevor die "Wolf" überhaupt in Sichtweite kam. Denn einen Zusammenstoß mit einem größeren Kriegsschiff musste Nerger mangels Panzerung auf jeden Fall vermeiden.

Wie die Piraten früherer Zeiten setzte der Kapitän auf Verschleierung. Er wechselte die Flaggen nach Belieben und veränderte regelmäßig das Aussehen seines Schiffes. Als die britischen Behörden schließlich das Verschwinden von Schiffen im Indischen Ozean und im Pazifik nicht mehr vertuschen konnten, meldeten die Zeitungen "Seebeben" als mögliche Gründe für das Verschwinden der Schiffe. Gleichwohl sprang das Gerücht von Hafen zu Hafen, dass ein geheimnisvolles "Geisterschiff" auf der Jagd sei.

Schiffe mit insgesamt 110.000 Bruttoregister-Tonnen fielen der "Wolf" zum Opfer. Sie wurden buchstäblich ausgeplündert und dann versenkt. Nach herrschendem Kriegsrecht nahm Nerger die Besatzungen an Bord, so dass schließlich die 349 Mann seiner Truppe mit 467 Gefangenen eine Schicksalsgemeinschaft bildeten, die das Interesse vereinte, nicht Seuchen, Skorbut oder feindlichen Kreuzern zum Opfer zu fallen. Den Gefangenen wurde aber nicht nur die kriegsgemäße, sondern eine beispiellos ritterliche Behandlung zuteil.

Die Gefangenen rühmten die "ritterliche Behandlung" auf der "Wolf" nach ihrer Rückkehr in ihre Heimatländer. Es waren zumindest eine Dame und ein paar Kinder an Bord. Für die Dame wurden Spiele auf Deck zur Unterhaltung veranstaltet und für die Kinder begab sich der Kapitän sogar in Gefahr, nur um den Kindern einige Tiere zum Spielen zu besorgen.

Nach einer Fahrt um Australien, einer geglückten Überholung bei Papua-Neuguinea und Operationen vor Singapur beschloss Nerger, den Rückmarsch anzutreten. Nahrung und Kohle wurden knapp, die Briten machten Jagd auf die "Wolf". Die "Wolf" brachte ein spanisch-französisches Schiff auf, um Kohle für die Rückfahrt zu bekommen. Das Verladen der Kohle geschah auf rauer, offener See, wobei die "Wolf" stark beschädigt wurde. Die Mannschaft konnte das Schiff notdürftig abdichten und Kapitän Nerger schaffte es erneut, die als undurchdringlich geltende englische Blockade vor Deutschland unbemerkt zu passieren.

SMS Wolf

Das gute Dutzend Schiffe, das ab 1916 auf Kaperfahrt auslief, war also ganz auf sich allein gestellt. Sie mussten so viel Kohle mit sich führen, um sich in den Weiten des Nordatlantiks an den britischen Patrouillen vorbeischleichen zu können, sie durften, um nicht geortet zu werden, keine Funksprüche absetzen und mussten sich Wasser, Lebensmittel und Brennstoff irgendwie beschaffen.

Am 24. Februar 1918, also nach 451 Tagen, lief die "Wolf" somit wieder sicher in Kiel ein. Nur wenige Wochen zuvor wurden die Angehörigen der Besatzung von der kaiserlichen Admiralität unterrichtet, dass Schiff und Besatzung wohl versenkt worden seien. Mit einer Rückkehr wäre nicht mehr zu rechnen.

Umso gewaltiger fiel der Jubel des ganzen Volkes aus. Quasi nur noch vergleichbar mit der Rückkehr von Kapitänleutnant Günther Prien und seiner Mannschaft mit U 47 von seiner Scapa-Flow-Mission am 17. Oktober 1939. Am Ende hatte die "Wolf" eine Strecke inmitten weit überlegener feindlicher Kriegsschiffe gemeistert, die, wie schon gesagt, drei Mal dem Erdumfang entsprach.

Für seine ritterlichen Heldentaten wurde Kapitän Nerger mit dem höchsten preußischen Orden, mit dem "Pour le Mérite" ausgezeichnet und offiziell zum Seehelden erklärt. Ihm wurde der Oberbefehl über die Vorpostenboote in der Nordsee übertragen. Die gesamte Besatzung erhielt das Eiserne Kreuz.

Diese Kühnheit und Opferbereitschaft sind jene menschlichen Tugenden, die unsere Welt erst zivilisatorisch bewohnbar machen. Und das so verunglimpfte deutsche Volk brachte in seiner wunderbaren Geschichte diese edlen menschlichen Anlagen im Übermaß hervor, um sie äußerst großzügig der Menschheit zum Geschenk zu machen.