Politik 2011 |
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Erstveröffentlichung dieses Artikels: 17/08/2011 - Quelle: NJ-Autoren |
Interview von EURONEWS mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad am 5. August 2011: |
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"Ich hoffe, dass die Führung in der Welt solcherart geändert wird, dass die Führer der Welt aus der Mitte des Volkes kommen und für das Volk arbeiten, vorwärtsgerichtet mit dem Volk" "Die Völker in Europa spielen beim Profitmachen keine Rolle, aber sie zahlen den Preis dafür. Wenn sie sich dagegen auflehnen, werden sie niedergeknüppelt, das ist wirklich schlecht. Und wenn sie die Wahrheit über den 2. Weltkrieg sagen, landen sie im Gefängnis!" Euronews Herr Präsident, kann ich mit einigen Bildern beginnen, die wir heute im iranischen Fernsehen sahen, Bilder des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak in der Anklagebox, wo er die Anklage wegen Korruption und Massenmord hören muss. Was haben Sie bei diesen Bildern gedacht?
Ahmadinedschad
Ich bin enttäuscht darüber, dass zwischen manchen Regierungen und ihren Völkern eine so große
Kluft entsteht, dass sie soweit gehen. Wir empfinden tiefstes Bedauern über die Führungsmethoden
in manchen Nationen, wo die Menschen in ihren Freiheitsbestrebungen die Bestrafung ihrer Führer
fordern. Ich hoffe, dass die Führung in der Welt solcherart geändert wird, dass die Führer
der Welt aus der Mitte des Volkes kommen und für das Volk arbeiten, vorwärtsgerichtet mit dem Volk. Euronews
Syrien ist ein anderes Beispiel, Herr Präsident, wo wir das Aufbegehren sehen, das wir auch schon in vielen anderen Ländern des Nahen Ostens gesehen haben. Ahmadinedschad Wir glauben, dass die Nationen ein Recht auf Freiheit haben. Sie sollten frei ihre Wahl treffen können und ein Leben in Gerechtigkeit führen. Gleichzeitig glauben wir, wenn andere sich nicht einmischen würden, wären die Nationen im Nahen Osten in der Lage, ihre Probleme selber zu lösen. Viele der Probleme, die wir heute erleben und die wir in der Vergangenheit erlebt haben, haben mit der Einmischung anderer zu tun. Wenn es an gewissen Orten Probleme gibt, dann sollten wir die Wurzeln dafür in den Einmischungen in der Vergangenheit suchen. Euronews Sie sagen , Völker haben ein Recht, ihre Regierung in Frage zu stellen und wir haben das vor zwei Jahren, 2009, im Iran gesehen. Denken Sie, das, was wir im Nahen Osten erleben, könnte sich auch im Iran ereignen oder vertrauen Sie darauf, dass hier alles stabil ist? Ahmadinedschad
Was im Iran geschieht, ist mit Ereignissen in anderen Ländern nicht zu vergleichen. Im Iran
gab es eine völlig freie Wahl. Es war die freieste Wahl der Welt. Mehr als 85 Prozent der
Menschen haben an der Wahl teilgenommen. 40 Millionen Menschen haben gewählt.
All diese 40 Millionen sind iranischer Nationalität und leben zusammen. Euronews Ja, es gab Wahlen, wie Sie gerade sagten. Und es gab Unzufriedenheit mit deren Resultat. Die Leute wollten ihrer Unzufriedenheit Ausdruck verleihen. Haben sie ein Recht dazu oder nicht? Ahmadinedschad Ja, entsprechend unseren Gesetzen gibt es legale Wege, seine Meinung auszudrücken. Und es gibt die vom Gesetz vorgesehenen Stellen, an denen man seine Beschwerden über den Verlauf der Wahlen vorbringen kann. Wir sehen, dass auch in Europa Demonstrationen stattfinden, bei denen die Polizei sehr hart vorgeht. Wer seine Ansichten über grundlegende europäische Fragen äußert, der landet im Gefängnis. Die Probleme der Regionen in der Welt von heute haben alle ihren Ursprung im II. Weltkrieg. Ist es den Menschen erlaubt, die Wahrheit über den II. Weltkrieg zu schreiben? Oder können sie etwas tun gegen die herrschenden Systeme? Ich bin sicher – das können sie nicht. Aber im Iran äußern die Menschen ihre Meinung in legalen Kanälen und andere sehen das. Allerdings sind einige Wissenschaftler für ihre Interpretation der Geschichte im Gefängnis. Euronews
OK, das ist ein komplett anderer Fragenkomplex. Ahmadinedschad
Das ist nicht die Opposition. Die Opposition sind jene, die in den Straßen von London
niedergeknüppelt werden. Die Studenten, denen die Gesichter blutig geschlagen werden. Euronews Könnten Sie das bitte deutlicher erklären. Die Situation in Europa ist schlimmer als jene im Iran 2009? Ahmadinedschad
Das versuche ich Ihnen gerade zu erklären. So ist es. In Europa muss die Mehrheit der
Bevölkerung für etwas büßen, das sie nicht beeinflussen kann. Euronews Sie sagen, es gibt eine Menge Leute, die den Preis zahlen für die Fehler der anderen in Europa und den USA. Gleichzeitig kann man sagen, die Menschen im Iran zahlen in ihrem täglichen Leben den Preis für die dem Iran auferlegten Sanktionen, das Wirtschaftsembargo, die distanzierten Beziehungen in der Außenpolitik. Ich sage nicht alle, aber viele. Sind es nicht die einfachen Menschen im Iran, die in ihrem Alltagsleben den Preis zahlen? Ahmadinedschad Ja, das ist wahr. Das iranische Volk zahlt den Preis für die Fehler der europäischen Führer. Euronews Nicht für die Ihren, Herr Präsident? Ahmadinedschad Grund sind die politischen Fehler der europäischen Führer. Wir haben nichts falsch gemacht. Seit 30 Jahren sind einige europäische Führer gegen uns. Warum sind sie eigentlich gegen uns? Weil wir frei sind? Weil wir Demokratie haben? Weil wir einen ihrer früheren Freunde weggejagt haben, den ehemaligen Schah? Weil wir gegen die expansionistische Politik einiger europäischer Länder sind? Schauen Sie nach Afghanistan und Irak – worin bestanden deren Fehler? Ich denke, dass die von einigen europäischen Führern betriebene Politik für europäische Nationen Probleme geschaffen hat, ebenso für andere Nationen. Euronews Wie sieht Ihre Innenpolitik für die zweite Hälfte ihrer Amtszeit aus? Sind Sie in einer starken Position? Ahmadinedschad Wir tun unsere Pflicht. Wir nutzen jede Minute, um dem Volk zu dienen. Euronews Gibt es da nicht Widersprüche zwischen Ihnen und dem Parlament? So erscheint es von außen betrachtet. Gibt es Konflikte zwischen Ihnen und dem Obersten Führer? Schwächt das Ihre Position? Ahmadinedschad
Ich denke, in einer freien Gesellschaft gibt es so etwas. Regierung und Parlament sollten
immer diskutieren. Ist es schlecht, eine freie Regierung und ein freies Parlament zu haben? Euronews Was ist mit der Freiheit von Mirhossein Moussavi, der unter Hausarrest steht? Was ist mit der Freiheit von Mehdi Karoubi, der unter Hausarrest steht? Haben sie die Freiheit, ihre oppositionelle Haltung auszudrücken? Es ist klar, dass beide gegen Sie opponiert haben. Aber haben sie die Freiheit, das aus ihrer Gefängniszelle heraus zu tun oder aus ihrem bewachten Haus? Ahmadinedschad In allen Ländern gibt es Gefangene. Haben Sie keine Gefangenen in Großbritannien? Euronews Ja, Herr Präsident, aber ich spreche über die Gefängnisse in diesem Land, in denen die Herren Moussavi und Karoubi eingesperrt sind. Ahmadinedschad Gefängnisse gibt es überall. Und auch Probleme mit der Justiz. Die Justiz im Iran ist unabhängig. Ich habe nicht das Recht, mich in Entscheidungen der Richter einzumischen. Es gibt gewisse Gesetze, deren Nichtbeachtung jemandem Probleme mit der Justiz einbringen kann. Wenn Sie mich nach meiner persönlichen Sicht fragen, dann sage ich, ich wünschte, es würde in der ganzen Welt keinen einzigen Gefangenen geben. Euronews Einschließlich Iran? Ahmadinedschad Nirgendwo in der Welt. Auch nicht in Abu Ghraib. Auch nicht in den Geheimgefängnissen in Europa. Euronews Was wollen Sie, Herr Präsident, für jene Menschen tun, die hier im Iran nur wegen ihrer Meinungsäußerung im Gefängnis sind, für etwas, was man in jedem demokratischen Land der Welt tun kann? Ahmadinedschad
Niemand ist nur wegen seiner Meinungsäußerung im Gefängnis. Unser Gesetz erlaubt freie Meinungsäußerung.
Sie sollten eine Woche im Iran bleiben und die Zeitungen lesen. Die radikalste Kritik am Präsidenten
können sie in den Zeitungen lesen. Es gibt reichlich Leute, die ohne jede Furcht den Präsidenten kritisieren.
Im Iran befindet sich die Freiheit auf höchstem Niveau. Ich will nicht sagen, dass wir schon den
idealen Punkt erreicht haben, aber wir sind sehr viel besser als viele europäische Länder. Euronews
Sind Sie bereit, den USA die Hand der Freundschaft auszustrecken, einem Land, mit dem Sie seit
30 Jahren keine normalen diplomatischen Beziehungen mehr unterhalten? Ahmadinedschad Wir glauben, dass freundschaftliche Beziehungen auf internationalem Niveau das grundlegende Prinzip darstellen. Aber die Amerikaner und ihre Regierung haben keine klare Position. Sie wissen nicht, was sie tun sollen. Sie folgen keinen klaren Prinzipien. Ihre Beziehungen zu uns haben sie abgebrochen. Die Amerikaner dachten, wenn sie ihre Beziehungen zu uns abbrechen, dann zerbrechen wir daran. Seither sind 31 Jahre vergangen – und wir sind immer noch da. Euronews Bei allem Respekt, Herr Präsident, wie wollen Sie für Frieden in der Welt sorgen, wenn Sie in Bezug auf das Atomproblem das eine sagen und das andere tun? Ahmadinedschad Warum? Was haben wir falsch gemacht? Euronews Speziell in Bezug auf das Nuklearprogramm …. Ahmadinedschad Sind nukleare Aktivitäten verboten? Euronews
Ich sage nicht, dass das verboten wäre. Ahmadinedschad Sie stellen eine gute Frage. Ich glaube, Sie fragen wirklich ernsthaft. Erlauben Sie mir zu erklären.
Erstens. Jene, die uns militärische Aktivitäten unterstellen, sind nicht westliche Wissenschaftler sondern
westliche Politiker. Wenn Sie das dann in Zusammenhang stellen mit dem westlichen Hass auf Iran…
Wenn wir sagen, wir haben keine Intentionen, eine Bombe zu bauen, dann meinen wir das ehrlich.
Wir glauben, dass heute jeder, der eine Bombe bauen wollte, verrückt sein müsste, geisteskrank.
Zweitens. Eine Atombombe ist nutzlos und uneffektiv. Das zionistische Regime hat Atombomben. Und- haben sie etwa Erfolg gehabt im Gaza-Streifen? Hat ihnen die Atombombe im 33-Tage-Krieg gegen Libanon den Sieg gebracht? War die damalige Sowjetunion mit ihren Atombomben in der Lage, ihren Zusammenbruch zu verhindern? Atombomben wurden vor 60 Jahren benutzt um politische Überlegenheit zu erlangen. Heute haben sie keinen Wert mehr. Denken hat Wert, die Öffentlichkeit hat Wert, die Menschen zählen. Wir denken, dass künftig niemand mehr in der Lage sein wird, Atombomben zu benutzen. Wir glauben, das ist das Ende der Geschichte. Copyright © 2011 euronews |