Die Verkleidung der Wirklichkeit durch die Sprache scheint so alt
zu sein wie die Menschheit selber, die durch Täuschen und
Getäuschtwerden kulturelle Wirklichkeiten und virtuelle Realitäten
schafft.
Besondere Veränderungen der Wirklichkeit ergeben sich durch die
Sprache der Politiker, denen offenbar jedes Mittel zur
Verschleierung recht ist. "Kompromissvorschlag, soziale
Gerechtigkeit, Implementierung in der Zeitschiene,
vertrauensbildende Maßnahmen, Solidaritätszuschlag,
Mehrwertsteuer, Ergänzungsabgabe" und so weiter.
Ein böses Beispiel der Verunglimpfung ist die Frage, ob zu Tode
gekommene Soldaten gefallen sind oder nur getötet oder ermordet
wurden. In einem nicht erklärten Krieg kann kein Soldat fallen,
auch nicht am Hindukusch.
Ein weiterer verniedlichender Begriff ist das "Keulen". In der
Hysterie um die Vogelgrippeepidemie wurden Hunderttausende von
gefiederten Mitgeschöpfen "gekeult", das heißt vergast oder
totgeschlagen, prophylaktisch.
Tauscht man die verharmlosenden Begriffe für das Töten mit
"keulen" und "fallen" aus, kommt die volle Absurdität zum
Vorschein.
Wurden etwa Soldaten durch die Massenvernichtung im Ersten und
Zweiten Weltkrieg "gekeult", und sind die Gänse, die während ihres
unbestechlichen Wächterdienstes getötet wurden, nur "gefallen"?
Tot sind sie allemal; trotz der verharmlosenden
begrifflichen Verschleierungen.
Prof. Dr. Dr. Felix-Rüdiger Giebler, Friedrichstadt |