Politik 2007
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Erstveröffentlichung dieses Artikels 2007 - Quelle: NJ-Autoren - Quelle: NJ-Autoren

"Hitler wird hier in Brasilien als berühmte Persönlichkeit angesehen."

In Brasilien sind amtliche Vornamen wie Hitler, Himmler oder Eichmann keine Seltenheit. Eine Prachtausgabe von MEIN KAMPF ist Dauerbrenner und Bestseller zugleich. Auf ganz normalen brasilianischen Internet-Seiten wird die neue Ausgabe besonders von jüngeren Frauen und Männern regelrecht gefeiert. "Hitler ist der größte Politiker aller Zeiten", heißt es da, "Minha Luta sei ein sehr gutes, ein geradezu phantastisches Werk."

Deutschland Radio (Kultur) 01.10.2007 - http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/676160/

"Mein Kampf"
"Ein Bestseller in Brasilien"

Minha Luta:
Bestseller in Brasilien. "Hitler ist der größte Politiker aller Zeiten".

In den Buchläden und im Internet Brasiliens, der größten Demokratie Lateinamerikas, wird derzeit eine neue Auflage von Adolf Hitlers "Mein Kampf" in portugiesischer Übersetzung angeboten und findet laut Händlerangaben wie üblich reißenden Absatz. Das Tropenland hat auffällig viele Hitler-Sympathisanten. Nicht wenige Brasilianer tragen amtliche Vornamen wie Hitler, Himmler oder Eichmann.

"Mein Kampf", auf Portugiesisch "Minha Luta", kostet umgerechnet rund 30 Euro und wird von Sao Paulos Verlag "Editora Centauro" als Prachtausgabe angepriesen. Auf dem braunen Hartpappe-Einband sind ein Porträt Hitlers sowie das Foto eines Reichsparteitags zu sehen, bei dem Hitler zwischen zackig grüßenden SA-Leuten eine Tribünentreppe hinaufsteigt, gefolgt von hohen Offizieren.

In Lateinamerikas Wirtschafts- und Kulturmetropole Sao Paulo hat natürlich auch die angesehene Spezialbuchhandlung "Martins Fontes" das Buch vorrätig. Sie liegt direkt an der Avenida Paulista, der lateinamerikanischen Wallstreet, und hat neben zahlreichen Banken auch Universitäten und Hochschulen ganz in der Nähe.

"Diese neue Ausgabe ist sehr gefragt", sagt der Fachverkäufer Josè Dantas: "Hitler ist eine widersprüchliche Persönlichkeit und deshalb wollen eben viele an Geschichte und Philosophie Interessierte genauer wissen, was er wirklich dachte. ... Auch wegen des Internets ist heutzutage der Informationsfluss ohnehin nicht mehr zu kontrollieren. Zudem findet man derzeit weit üblere, aggressivere Bücher als jenes von Hitler. Man muss sich nur einmal bestimmte Werke bekannter Islamisten anschauen, die sich viel drastischer, derber ausdrücken als Hitler in 'Mein Kampf'. Hitlers Text hat längst nicht diese Wucht ...."

Keineswegs nur auf den nazistischen Websites von Brasilien wird die neue Ausgabe besonders von jüngeren Frauen und Männern regelrecht gefeiert, mit grob rassistischen und antisemitischen Tiraden. "Hitler ist der größte Politiker aller Zeiten", heißt es da, "Minha Luta" sei ein sehr gutes, ein geradezu phantastisches Werk.

Renommierte Sozialwissenschaftler, darunter die Historikerin Maria Luisa Tucci Carneiro von der Bundesuniversität in Sao Paulo erinnern in diesem Kontext daran, dass in Brasilien der Diktator Getulio Vargas, ein Hitlerverehrer und notorischer Judenhasser, bis heute auch offiziell außerordentlich verehrt wird, erst 2003 für Vargas in Rio de Janeiro ein großzügig gestaltetes Memorial eingeweiht wurde. ...

Noch 1949, vier Jahre nach Kriegsende, wurden Einreisevisa für Juden per Geheimdekret verboten. Das offizielle Argument: Es handele sich um Überlebende der KZs, also psychisch gestörte Leute, an denen Brasilien kein Interesse haben könne.

Staatspräsident Lula da Silva

"Hitler irrte zwar, hatte aber etwas, das ich an einem Manne bewun-dere - dieses Feuer, sich einzu-bringen, um etwas zu erreichen. Was ich bewundere, ist die Bereit-schaft, die Kraft, die Hingabe."

Der polnische Jude Aleksander Laks war in Auschwitz, ist heute in Rio de Janeiro Präsident der örtlichen Vereinigung von Überlebenden des Holocaust. ... Laks ist stark enttäuscht, dass auch die jetzige Regierung weder amtliche Vornamen wie Hitler oder Himmler verbieten lässt, noch Naziornamente der Hitlerzeit aus Wohnhäusern und öffentlichen Gebäuden entfernt.

Laks: "Es gibt hier Nazis, auch entsprechende Websites, es gibt Antisemiten, die den Holocaust bestreiten. Selbst Kleiderständer in den großen Modegeschäften haben hier ein Hakenkreuzdesign, es ist kaum zu fassen."

Und Rios Rabbiner Nilton Bonder betont: "Antisemitismus in Brasilien ist eher unorganisiert, aber das Land ist gegenüber Juden voller Vorurteile. Viele davon stammen aus der iberischen Kultur - denn Länder wie Spanien sind bis heute extrem antisemitisch. Es gibt Skinheads, die Juden hassen - und Hitler wird hier in Brasilien als berühmte Persönlichkeit angesehen."

Brasiliens heutiger Staatspräsident Luis Inacio Lula da Silva hatte bereits als Gewerkschaftsführer im Jahre 1979 klargestellt, wie er zu Hitler steht. In einem Interview sagte Lula damals: "Hitler irrte zwar, hatte aber etwas, das ich an einem Manne bewundere - dieses Feuer, sich einzubringen, um etwas zu erreichen. Was ich bewundere, ist die Bereitschaft, die Kraft, die Hingabe."