Pädagogen und
Polizei sind bereits gescheitert: Nun sollen in
Berlin drei Streetworker mit dunkler Vergangenheit
kriminelle Gangs zähmen. Der Oberkörper des Mannes sieht
beeindruckend aus: Messerstiche haben 14 Narben zurückgelassen.
Sechsmal wurde Ali S. operiert. Die Spuren davon sind Andenken aus
jenen Zeiten, als das ehemalige Mitglied der Kreuzberger
Türken-Gang "36 Boys" sich noch regelmäßig prügelte. "Von vorn hat
mich nie einer plattgemacht", prahlt er. Wenn er an seine
dunkle Vergangenheit denkt, dann jucken die Narben. Und
seitdem Ali S. diesen neuen Job hat. jucken sie oft. …
Ali S. blickt misstrauisch auf die andere Straßenseite,
wo gerade zwei junge Türken vor dem Internet-Cafe Geldscheine
in der Hose verschwinden lassen und dafür einem Deutschen ein
Päckchen in die Hand drücken. Sie haben es nicht nötig den Deal
irgendwie zu verheimlichen. ...
Sie lachen und zünden sich einen Joint an.
Hier, Ecke Naunyn- und Adalbertstraße, mitten in
Berlin-Kreuzberg, ist ihr Revier: Dealer, Kiffer, Hehler,
jugendliche Gangs, die Bewohner und Passanten anpöbeln und
abziehen, gehören zum Alltag. Die Straße gehört ihnen. Die Polizei
lässt sich allenfalls sporadisch blicken, Sozialarbeiter
verzweifeln. Wer es sich leisten kann, zieht weg, und wenn es
dunkel wird in Kreuzberg, dann meiden viele die Naunynstraße.
...
Nicht so Ali S., 37, Kaio Khakreh, 32, und Selime Djudaki, 30. Die
drei sollen in Kreuzberg retten, was noch zu retten ist. …
schwere Jungs im Staatsauftrag … Im Auftrag der
Senatsverwaltung patrouillieren sie als "Kiezläufer" nun täglich
in der Naunynstraße. ... Ihre Qualifikation ist ihre
Herkunft. …
In einer
Senats-Analyse zur Lage in der Naunynstraße ist die Rede
von einer "No-go-Area". Messerstechereien etwa seien
"nicht unbedingt eine Ausnahmeerscheinung". Die Straße sei
"Treffpunkt für Dealer und Hehler". Hier würden "Bewohner,
Frauen, Kinder bestohlen, bedroht. Familien mit größeren Brüdern
lernen die Kleinen an. In Gruppen rekrutieren Ältere die Jüngeren
für niedrigere Tätigkeiten und bringen ihnen die erforderlichen
Tricks bei", so das Papier. …
Eine Ghetto-Clique, die nur nach eigenen Regeln lebt. …Deutsche
Sozialarbeiter oder gar Polizisten haben da wenig Chancen. …
Und was passiert, wenn die Kids die Kiezläufer ausnutzen,
wenn die drei zwischen Polizei und Gangs geraten? Ali zuckt mit
den Achseln und blickt zu den Dealern, die gegenüber der Kneipe
"Trinkteufel" weiter ungeniert ihre Geschäfte machen. Seine Narben
jucken.
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