Jüdische Studien 2007

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"Schwere Angriffe auf die Meinungsfreiheit durch die jüdische Gemeinschaft"

"Intellektuelle, Studenten, Professoren, Linke und Rechte vereint gegen jüdische Meinungsunterdrücker"

Als Professor Claudio Moffa die Juden Italiens die "wahren Faschisten unserer Zeit" und "die Unterdrücker der freien Meinungsäußerung" nannte, erntete er größten Beifall - sowohl vom linken, wie auch vom rechten politischen Spektrum Italiens. In Italien will man die Fakten der Revisionisten an den Universitäten hören und studieren dürfen. Man will sich nicht von "den jüdischen Faschisten, die die freie Meinungsäußerung systematisch behindern", vorschreiben lassen, was sie über den Holocaust erfahren dürfen. Ein ganzer antisemitischer Chatroom ist in Italien entstanden, "in dem auch nach Monaten immer noch hasserfüllt diskutiert wird".

F.A.Z., 31.08.2007, Nr. 202 / Seite 36

Holocaustleugner als Gastdozent

Studienziel Tabubruch

Von Wolfgang Schieder

Die Abruzzenstadt Teramo liegt weit hinter den Bergen, fern aller touristischen Zentren Italiens. Man muss mit dem Auto durch einen langen Tunnel unter dem Massiv des Gran Sasso hindurchfahren, um dort anzulangen. Obwohl gar nicht einmal so weit südlich gelegen, ist es eine Stadt des Mezzogiorno. Doch gibt es hier eine staatliche Universität. Ein einst mächtiger Regionalboss der untergegangenen Democrazia Cristiana hat sie hierhergeholt.

Unter den vielen Neugründungen in der Peripherie hat sich die Universität im Laufe der Jahre durchaus einen guten Namen gemacht. Hier lehrte vor allem der allzu früh verstorbene Filippo Mazzonis, einer der führenden Sozialhistoriker Italiens. Die Studenten kommen so gut wie ausnahmslos aus der Region, die Professoren wohnen fast alle in Rom, aber das ist auch bei vielen anderen italienischen Universitäten so. Alles ging seinen gemächlichen akademischen Gang, bis die Universität in diesem Frühjahr plötzlich ins Gerede kam. Seitdem findet vor allem im Internet ein erbitterter politischer Glaubenskrieg über einen Gegenstand statt, den es eigentlich gar nicht gibt.

Festlegung auf arabische Positionen

Anlass war die Einladung an den französischen Literaturwissenschaftler und notorischen Holocaustleugner Robert Faurisson, an der Universität einen Vortrag über seine sattsam bekannten Thesen zu halten. Eingeladen hatte ihn Claudio Moffa, Inhaber eines Lehrstuhles für Politik und Geschichte Afrikas. Mit Zustimmung der Universität hatte dieser im vergangenen Jahr einen Masterstudiengang für den Nahen Osten eingerichtet, den er nach dem charismatischen Manager Enrico Mattei benannte, der nach dem Zweiten Weltkrieg Italien mit libyschem Öl von den angloamerikanischen Ölkonzernen hatte unabhängig machen wollen. Eigentlich hätte das der Universität schon zu denken geben müssen, da die Namenswahl eine Festlegung auf arabische Positionen im Nahen Osten anzeigte.

Das Studienprogramm hatte denn auch einseitig arabische Themen vom Sprachenerwerb bis zur politischen Landeskunde zum Inhalt. Das sollte den Studierenden einen "Nahen Osten ohne Tabu" vermitteln. Hier einen der führenden ,negazionisti', wie diese zweifelhaften Figuren in Italien genannt werden, einzuladen passte gut ins Programm. Für Faurisson und seinesgleichen ist der millionenfache Mord an den Juden Europas eine bloße Erfindung, die lediglich zur politischen Disziplinierung der Deutschen, aber vor allem auch zur Unterdrückung der Palästinenser dienen solle. Faurisson gehört ebenso zur bornierten Internationale der Holocaustleugner wie der in Mannheim jüngst verurteilte Deutschkanadier Zündel. In Italien erregte 1985 schon einmal ein gewisser Carlo Mattogno mit einem Buch über den "Mythos der Judenvernichtung" Aufsehen, das blieb jedoch alles auf ein sektenhaftes, antiintellektuelles Milieu beschränkt. Den Holocaustleugnern erstmals eine Chance zu geben, aus diesem herauszukommen, blieb Professor Moffa vorbehalten.

Von links nach rechts

Seiner politischen Herkunft nach ist Moffa keineswegs ein Rechtsradikaler, im Gegenteil, er kommt aus der linksradikalen Bewegung "Lotta Continua". Was ihn politisch von links nach rechts führte, ohne dass hier am Ende noch irgendwelche Unterschiede zu erkennen sind, ist ein banaler "Antizionismus", der die Existenz Israels radikal in Frage stellt. So schreibt er über "Zionismus: gegen das ,Einheitsdenken' der Linken" oder mit ironischer Anspielung auf ein italienisches Bonmot über "Juden, gute Leute" (ebrei brava gente).

Die auch im Internet verbreitete Einladung Faurissons an die Politische Fakultät der Universität Teramo führte in Italien nun aber zu einem Sturm der Entrüstung. Wortführer des Protestes war der auch in Deutschland bekannte Turiner Zeithistoriker Brunello Mantelli, der in kürzester Zeit mehr als achthundert Unterschriften für eine Protestresolution sammelte, die sich gegen die Einladung Faurissons richtete. Die fast durchweg von Universitätsangehörigen aus ganz Italien unterschriebene Resolution richtete sich scharf dagegen, den Holocaustleugnern in Teramo erstmals eine akademische Plattform zu geben. Die Unterzeichner bezichtigen den einladenden Moffa der "Ignoranz und der Unredlichkeit" und fordern die Universität Teramo auf, den wissenschaftlichen Standard des Studiengangs "Enrico Mattei" zu überprüfen. Mit dem französischen Altertumswissenschaftler Pierre Vidal-Naquet bezeichneten sie die Holocaustleugner als "Mörder an der Erinnerung".

"Wahrer Faschismus unserer Zeit"

Der Initiator des ganzen Spektakels ließ sich dadurch jedoch keineswegs beirren. Er beharrte auf der Einladung Faurissons, berief sich auf die in der Verfassung garantierte Wissenschaftsfreiheit und sammelte seinerseits Unterschriften. Es bedurfte des Eingreifens des Universitätsrektors, der schließlich einen Auftritt des Franzosen in der Universität verbot. Moffa wich daraufhin mit seinem Gast in ein Hotel aus. Hier kam es bei einer Pressekonferenz zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit einer Gruppe von Demonstranten, der Vortrag konnte nicht stattfinden. Moffa stilisierte sich daraufhin zum politischen Märtyrer. Er sprach von einem "schweren Angriff auf die Meinungsfreiheit von Seiten der jüdischen Gemeinschaft" in Italien und behauptete am Ende, dass diese und ihre "unkritischen Unterstützer" der "wahre Faschismus unserer Zeit" seien.

Mit diesem nicht mehr kaschierten antisemitischen Ausfall fand er im Internet den größten Beifall. Hunderte von Zuschriften meist kaum noch zu unterscheidender linker und rechter Claqueure polemisierten gegen "zionistische Gangs" und angebliche jüdische Aggressoren, welche die freie Meinungsäußerung systematisch behinderten. Ein ganzer antisemitischer Chatroom ist hier entstanden, in dem auch nach Monaten immer noch hasserfüllt diskutiert wird.

Es ist dies der pseudointellektuelle Untergrund, der den Antizionismus heute in Italien mehr und mehr veralltäglicht und die Grenzen zum genuinen Antisemitismus verschwimmen lässt. Das findet nicht nur auf der politischen Rechten Anklang, auch linke Zeitungen wie "Il Manifesto" und "Liberazione" verweigerten Brunello Mantelli bezeichnenderweise ihre Unterstützung, als dieser sie für seine Kampagne gegen die Einladung Faurissons an die Universität Teramo zu gewinnen suchte.