Multikultur 2006

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Wunderbare Multikultur, schön, so "bunt" untergehen zu dürfen

Macht euch auf was gefaßt, ihr deutschen "Huren" und ihr Juden

"Jude" ist bei Streitigkeiten selbst unter Kindern ein Schimpfwort. Deutsche Mädchen im Bikini sind Huren, man muß diese halbnackten Frauen auspeitschen, wie es die Taliban in Afghanistan tun. Neulich haben sechs Jugendliche im Garten des Bethanien eine 15jährige vergewaltigt. "Was läuft die Schlampe auch abends draußen herum."

Die Welt, 27.1.2006, Seite 4

"Man kann die nicht mehr ändern"

Wie offene Jugendarbeit scheitert - Ortstermin in Berlin-Kreuzberg

von Joachim Fahrun

Berlin - Hinter jedem Foto mit den selbstbewußt posierenden Jungs steckt ein Drama. "Der hier sitzt im Knast", sagt Ahmad Omid-Yazdani und deutet auf einen der dunkelhaarigen Halbwüchsigen. Dreieinhalb Jahre wegen schweren Raubüberfalls. "Der hier kifft ohne Ende. Und der ist schizophren geworden. Zuviel LSD."

Wenn der Leiter des Sportjugend-Clubs Kreuzberg über seine jugendliche Klientel spricht, sind die Beispiele gelungener Integration eine seltene Ausnahme. "Der hat sogar eine Tischlerlehre beendet, aber keine Stelle gefunden. Jetzt dealt er im Kiez. Und dieser hier ist harter Sympathisant von al-Qaida. Der weiß viel, hat viel gelesen." Und so sei der 20jährige überzeugt, die Anschläge vom 11. September seien ein jüdisch-amerikanisches Komplott gewesen. "Juden und Christen sind unsere Feinde", hört der Betreuer von einigen Jungen. "Jude" ist bei Streitigkeiten selbst unter Kindern ein Schimpfwort.

Omid-Yazdanis aserbaidschanische Muttersprache ähnelt dem Türkischen. Er versteht, was die Jungen untereinander reden. Und er hat keine Lust mehr, sein Wissen zu verschweigen. "Gewalt und Drogenabhängigkeit haben in den letzten zehn Jahren gravierend zugenommen." Kontakte zur demokratischen Mehrheitsgesellschaft sei unter den meisten der türkisch- und kurdischstämmigen Einwandererfamilien in den Straßen rund um die bunte Multikulti-Meile der Oranienstraße abgerissen. "Wir stecken mitten im Prozeß der Gettoisierung", warnt Yazdani.

90 Prozent der Jugendlichen, die in seinen Club kommen, tragen mindestens ein Messer bei sich. Die meisten rauchen Haschisch oder schlucken die neumodische Aufputschdroge Tilidin, ein rezeptpflichtiges Medikament, das stark macht und die Angst nimmt. Alkohol spielt kaum eine Rolle, denn fast alle sind Moslems. Deutsche Halbwüchsige gibt es hier nicht. Einen Job oder Ausbildungsplatz oder eine Perspektive hat fast keiner. Die überwiegende Mehrheit steht auf der Straße. "Die bringen auch keine Ausbildung zu Ende", äußert der aus dem Iran stammende Soziologe sogar Verständnis für die zögerlichen Arbeitgeber.

Seit 16 Jahren macht er Jugendarbeit im ehemaligen Postzustellbezirk SO 36, zuerst am Kottbusser Tor, heute im Club der Sportjugend im Bethanienhaus am Mariannenplatz. Der engagierte Pädagoge Omid-Yazdani zieht jetzt eine drastische Konsequenz aus den Zuständen. Er sperrt die Tür zu. Die offene Jugendarbeit, wo jeder zum Tischtennis, Fitneßtraining, Dart oder einfach nur zum Abhängen vorbeischauen konnte, wird eingestellt. "Die Pädagogen haben dabei keine Wirkung, wir sind nur Aufpasser", beschreibt der Leiter die Lage. Jetzt wollen er und sein Kollege die Gewalttätigen und Drogenabhängigen fernhalten vom Club, sagt der Betreuer und senkt die Stimme: "Man kann die nicht mehr ändern." Von den 60 bis 70 Jungs, die täglich in den Club gekommen sind, hält Omid-Yazdani vielleicht 25 für noch erreichbar: "Die anderen sind verloren", flüstert er.

Den letzten Schritt hat das Jugendzentrum Chip in der wenige hundert Meter entfernten Reichenberger Straße bereits vollzogen. Von hier aus plante einst eine Jugendgang ihre Raubzüge auf Kneipen. Die Betreuer fanden Waffen und Masken, berichtet Leiter Wolfram Englert. Der Bezirk mußte das Chip schließen. Jetzt wird nur noch mit denen gearbeitet, die bereit sind, sich für die Einrichtung zu engagieren. Das sind derzeit 25 Jugendliche. Vor allem die Älteren, über 18jährigen sind raus. "Die müssen eben irgendwann mal selbst Verantwortung übernehmen", sagt Englert. Offene Jugendarbeit sei eine "schöne Idee", findet der erfahrene Pädagoge, der seit 25 Jahren in Kreuzberg arbeitet: "Aber sie funktioniert in Kreuzberg nicht."

Die Konzentration auf ausgewählte Jugendliche scheint zu funktionieren. Letztes Jahr suchten Englert und ehrenamtliche Helfer für elf Schulabgänger Stellen. Für zehn wurden sie fündig. Einer sitzt im Knast. Eine gute Quote. Die "Verlorenen" werden sich weiter in Kreuzberg auf der Straße herumtreiben. Ihren Kiez verlassen sie selten. Sie haben kein Geld, fühlen sich in anderen Bezirken unsicher.

Viele Familien leben mit sechs, sieben Personen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Gewalt wird vielfach als Teil der Kultur gesehen. Da sind die Eltern froh, wenn schon kleine Jungs sich draußen herumtreiben. Dort sind die Älteren, die gern Gangster wären oder es wirklich sind, die Vorbilder. Oder die Jungen finden in den Moscheen so etwas wie Wärme und Anerkennung. In Internet-Cafés werden bärtige Männer beobachtet, die islamistische Web-Seiten aufrufen und versuchen, die Jugendlichen dafür zu interessieren. Yazdani berichtet vom Einfluß der Imame: Im Fastenmonat Ramadan wollte der Club im Rahmen eines Projekttages eine Moschee, eine Synagoge und eine Kirche besuchen. 25 Jugendliche hätten sich versammelt. Dann brachte ein Jugendlicher eine Botschaft eines Moscheepredigers: "Wer in die Kirche oder die Synagoge geht, macht sein Fasten ungültig." Ein Besuch dort sei Sünde. Nur sieben jugendliche allevitischen Glaubens nahmen danach am Programm teil.

Beim Besuch des Freibades Prinzenstraße lästerten die Jungs über deutsche Mädchen im Bikini: Das seien Huren, und man muß diese halbnackten Frauen auspeitschen, wie es die Taliban in Afghanistan tun." Die eigenen Schwestern müssen sowieso zu Hause bleiben. Im Jugendclub wurde die Stelle der weiblichen Betreuerin letztes Jahr gestrichen. Die Mädchengruppe wurde eingestellt. Neulich haben sechs Jugendliche im Garten des Bethanien eine 15jährige vergewaltigt. "Was läuft die Schlampe auch abends draußen herum", hätten sich die Jungs gerechtfertigt, erzählt Yazdani.

Strafen scheinen die härteren unter den Kids nicht abzuschrecken. Einer aus dem Club war als Intensivtäter in die Türkei abgeschoben. Kaum war er wieder zurück, zerbrach er den Billardqueue über seinem Oberschenkel und verprügelte damit einen anderen Jungen, erzählt der Betreuer. Gefängnis sei für die Jungs kein "Schreckenswort" mehr. Wer im Knast sitzt, hat hohes Ansehen.