Zeitgeschichte 2005

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Für das normale Gehirn sind diese Giga-Geschichtslügen nicht mehr zu fassen

Unvorstellbare Lügen und Fälschungen über Adolf Hitler

Die Zeit des Satans ist da, die Lüge dominiert unser Leben. Von der gemeinen Greuellüge der Sieger zur Universalfälschung. Eine offizielle WELT-Veröffentlichung ...

Die Welt, Medien, 19.7.2005, Seite 30

Hitler virtuell

"Die Verschwörung - Das Attentat vom 20. Juli 1944" auf RTL 2 - Zweifelhafter Fortschritt im Geschichts-TV

von Sven Felix Kellerhoff

Morgen abend stirbt die seriöse zeithistorische Dokumentation. Und zwar in einem Film des Discovery Channel über den Anschlag auf Hitler am 20. Juli 1944, den RTL 2 ausstrahlt. Die Todesursache ist nicht böser Wille oder etwa die Gier, die Geschichte des Dritten Reiches umzuschreiben wie bei den "Hitler-Tagebüchern", sondern schlicht der Fortschritt.

Es sind spektakuläre Aufnahmen, die man in "Verschwörung - Das Attentat vom 20. Juli" anschauen kann: Wie sich Hitler unmittelbar vor der Explosion von Stauffenbergs Bombe über den Kartentisch beugt. Wie er wenige Augenblicke später, nach der Detonation, mühsam auf die Beine kommt. Wie er danach seinem Arzt zumurmelt: "Ich bin unsterblich!"

Auch von den Staatschefs der Anti-Hitler-Koalition bekommt man bislang unvorstellbare Bilder zu sehen: Churchill regiert das British Empire vom Bett aus und sinnt über Giftgasangriffe nach. US-Präsident Roosevelt erleidet im Sonderzug in Kalifornien einen Kollaps und ist für Stunden näher am Tode als der "Führer". Stalin schmust in seiner Datscha bei Moskau mit seiner Haushälterin.

Gut die Hälfte des 90 Minuten langen Films besteht aus farbigen, qualitativ schlechten, aber nie zuvor zu sehenden Privataufnahmen der vier Staatschefs. Allerdings wurde keines dieser Bilder in einem Filmarchiv oder bei einem Kameraamateur entdeckt. Sie sind samt und sonders im 21. Jahrhundert gedreht und echten Aufnahmen von vor 60 Jahren künstlich "angepaßt" worden. Discovery nennt das "Geschichte virtuell".

Die Grenze zur Manipulation wird hier nicht mehr nur touchiert, sie wird überschritten. Der Unterschied zu den gegenwärtig beliebten Dokudramen ist eindeutig: Heinrich Breloer, Hans-Christoph Blumenberg, Guido Knopp oder andere mischen zwar ebenfalls Spielszenen und echtes Material. Doch sie zeigen nachgestellte Szenen entweder in bester aktueller Qualität oder farblich so verfremdet, daß man sie nicht für echt halten kann. Das Gegenteil geschieht hier: Neue Aufnahmen wurden bewußt verschlechtert, die Gesichter der Hauptdarsteller durch digitale Animationen ersetzt.

Technisch ist das ohne Zweifel gelungen: Unter dem Aspekt der reinen Machbarkeit ist "Verschwörung" ein Meilenstein. Anders sieht es beim Drehbuch aus. Die Genauigkeit mindestens des deutschen Textes läßt oft zu wünschen übrig. Zum Beispiel heißt es, Hitler habe 42 Anschläge überstanden; in Wirklichkeit überlebte er zwei, vielleicht ein halbes Dutzend weitere Attentate wurde ernsthaft vorbereitet, aber nicht ausgeführt. Niemand weiß, was an weiteren, nach 1945 kolportierten Attentatsplänen wirklich real war. Zum Beispiel wird eine der seltsamsten Figuren des 20. Juli, der Generaloberst Friedrich Fromm, zum Mitverschwörer, wo er sich doch vielmehr opportunistisch nach beiden Seiten verhielt. Zum Beispiel wird aus dem damaligen Major Otto Ernst Remer ein Generalmajor [Otto Ernst Remer wurde Anfang Januar 1945 zum Generalmajor ernannt, NJ], und die Produzenten zeigen das Reichsluftfahrtministerium, meinen aber den Bendler-Block.

Eindeutig der Verfälschung schuldig macht sich der Film mit seiner Verwendung von schwarz-weißen Standbildern. Ein eigenes Team produzierte insgesamt 950 Fotos im Stil echter Aufnahmen - von Ereignissen, die niemals fotografiert wurden; 41 davon wurden verwendet. So ist als scheinbares Foto der Moment zu sehen, in dem Stauffenberg und sein Adjutant die Bombe scharfmachen. Und auf einmal "existiert" eine ganze Bilderserie von der Erschießung der vier Hauptverschwörer. Sogar ein zufällig existierendes echtes Foto, die einzige gemeinsame Aufnahme von Hitler und Stauffenberg, wurde manipuliert - was man allerdings erst erkennt, wenn man es mit dem Original vergleicht.

Am Anfang des Films steht ein Hinweis, daß im folgenden nachgestellte Aufnahmen gezeigt werden. Um dem Zuschauer nicht dokumentierte Ereignisse zugänglich zu machen, ist das im Prinzip auch zulässig. Das Mischen von wirklich echten Fotos und digital nachkomponierten Aufnahmen aber widerspricht elementar dem Prinzip des Dokumentarfilms. Derartig "verbesserte" Produktionen zerstören das seriöse Geschichtsfernsehen.

Am 20. Juli 2005, 20.15 Uhr, RTL 2

Verräter oder Vorbilder, die Mörder des 20. Juli?