Wenn die türkische Regierung umfangreiche Reformen
auf den Weg bringt, muss das nicht bedeuten, dass der ausführende
Staatsapparat diese auch zügig umsetzt. Wie die Türkei einen
deutsch-türkischen Vertrag versteht; zeigt folgendes Beispiel:
Im Jahr 1952 wurde zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Türkei die Wiederanwendung, des deutsch-türkischen
Niederlassungsabkommens vom 12. 1. 1927 vereinbart, das sich mit dem
Status der Angehörigen der beiden Staaten beim Aufenthalt im anderen
Land befasst. Die Türkei hält sich nicht an das Abkommen.
Andererseits wagt es unsere Regierung nicht, das Abkommen zu kündigen.
Während prinzipiell jeder Türke in Deutschland ein kleines Geschäft;
eine Änderungsschneiderei, ein Restaurant und so weiter aufmachen kann,
und auch Grundstücke ohne räumliche Beschränkung erwerben kann, ist dies
Deutschen in der Türkei nicht erlaubt.
Es gibt über 30 türkische Gesetze, die eine Erwerbstätigkeit von
Deutschen in mehr als 50 Berufen und sogar den Grundstückserwerb
verbieten. Für Deutsche in der Türkei besteht - im Gegensatz zu Türken
in Deutschland - keine Aussicht auf einen rechtlich abgesicherten
Daueraufenthalt.
Nach Bestätigung des Auswärtigen Amts dürfen folgende Berufe von
Deutschen in der Türkei nicht ausgeübt werden: Rechtsanwalt, Lehrer,
Arzt, Zahnarzt, Tierarzt,' Apotheker, Chemiker, Krankenpfleger,
Krankenschwester, Börsenmakler, Optiker, Chefredakteur, Arbeiten in
allen Arten von Transportgeschäften, Makler, Musiker, Fremdenführer,
Dolmetscher, Fotograf, Straßenhändler, Friseur, Schriftsetzer,
Schneider, Schuster, Hutmacher, Arbeiter in der Bau-, Eisen- und Holz
verarbeitenden Industrie, Pförtner, Hausverwalter, Kellner und so
weiter.
Die von mir angeregte Kündigung des deutsch-türkischen
Niederlassungsabkommens von 1927 sei, wie das AA mitteilte, "nicht der
geeignete Weg". Die Türkei bewerbe sich um die Mitgliedschaft in der EU,
"ein Schritt, der nach einer gewissen Übergangsfrist die tatsächliche
Niederlassungs- und Berufsfreiheit ermöglicht".
Damit auch Deutsche in der Türkei die Rechte haben,
wie die Türken in der Bundesrepublik, müssen wir die Türkei in die EU
aufnehmen.
Karl-Heinz Schüler; Baden-Baden |