Politik 2005

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Willkommen in der "Schmiergeld-Republik"

"Es ist völlig egal, ob sie einem deutschen Abgeordneten einen Sack Geld auf den Tisch stellen - 'Dankeschön'-Zahlungen sind in Deutschland straffrei".

"Die politische Klasse hat in dieser Frage kein Unrechtsbewusstsein."

Von diesen "Demokraten ohne Unrechtsbewusstsein" brauchen sich die Deutschen keine Belehrungen über Demokratie gefallen zu lassen bzw. müssen sich vor dem Hintergrund von "Dankeschön-Zahlungen" keine Lektionen über Adolf Hitler anhören. Sie gehören ganz einfach bei der nächsten Wahl davongejagt. NPD wählen!

Die Welt, 29.10.2005, Seite 4

"Schmiergeld umspült den letzten Winkel"

Einkünfte von Bundestags- und Landtagsabgeordneten geraten in den Blick von Antikorruptionsexperten

von Guido Heinen

Speyer - Der Kampf gegen Korruption wird in Deutschland noch immer halbherzig geführt. Nicht nur bei den finanziellen und personellen Mitteln, sondern besonders in der Gesetzgebung sehen führende Korruptionsbekämpfer erhebliche Defizite. So kritisierte Anke Martiny, Vorstandsmitglied von Transparency International (TI), die Weigerung der deutschen Politik, die Antikorruptionskonvention der Uno zu ratifizieren. Staatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner, Korruptionsfahnder aus Frankfurt, sprach davon, daß "Schmiergeld den letzten Winkel unserer Republik umspült" und vermutete bei Korruptionsdelikten eine "Dunkelziffer von 95 Prozent".

In der Korruptionsdebatte geraten jetzt insbesondere Landtags- und Bundestagsabgeordnete in den Blick. Denn sie sind von den für öffentliche Amtsträger geltenden Korruptionsbestimmungen ausgeschlossen - sie sehen sich selbst nicht als solche an. "Es ist völlig egal, ob sie einem deutschen Abgeordneten einen Sack Geld auf den Tisch stellen", sagte Professor Hans Herbert von Arnim. Der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung sei "nur ein Papiertiger", da er nur Abstimmungen im Plenum betreffe. Die wirkliche Einflußnahme finde jedoch in Fraktionen und Ausschüssen statt, zudem seien "Dankeschön"-Zahlungen möglich. Dies alles sei in Deutschland straffrei.

Martiny verwies darauf, daß es hier ein Mißverhältnis zwischen städtischen Abgeordneten, die sehr wohl als "Amtsträger" gälten, und Landtags- und Bundestagsabgeordneten gebe. Mit Blick auf Großstädte und Stadtstaaten werde dies deutlich: "Warum dürfen Landtagsabgeordnete etwa im Saarland oder in Bremen Dinge tun, die Stadträten in München oder Köln bei Strafe verboten sind?"

Die Weigerung, die UN-Antikorruptionskonvention zu ratifizieren, habe ihren Hauptgrund in der Definition des öffentlichen "Amtsträgers". Österreich, Deutschland und die Schweiz haben bis heute nicht einmal eine Übersetzung des englischen Ursprungstextes erstellt - an der Bedeutung des "public official" scheiden sich die Geister.

Mehrere Experten auf der 9. Speyerer Demokratietagung nahmen die Abgeordneten als wichtiges Glied im korrumptiven Dreieck von Politik, Wirtschaft und Parlament in den Blick. Staatsrechtler von Arnim, der seit Jahren Abgeordnetenprivilegien durchleuchtet, bezeichnete die Möglichkeit für Abgeordnete, neben dem sie ja eigentlich voll alimentierenden Mandat auch noch einen Beruf auszuüben, zwar als "einmaliges Privileg". Gleichwohl solle daran festgehalten werden, damit die Unabhängigkeit der Parlamentarier erhalten bleibe. Der Mißbrauch müsse jedoch deshalb um so konsequenter bekämpft werden. Er forderte eine vollständige Veröffentlichung der Nebeneinkünfte der Abgeordneten "nach Art und Höhe". "Arbeitslose Zahlungen" wie im Falle RWE, Siemens und Volkswagen an Bundestagsabgeordnete seien "verfassungswidrig", weil sie "die Gleichheit verletzen und die Unabhängigkeit des Abgeordneten gefährden".

Bundesweit zahlten, so von Arnim, große Konzerne Hunderten von Abgeordneten stillschweigend ein Gehalt weiter. "Dies bringt die Unternehmen in eine Zwickmühle: Entweder versprechen sie sich etwas davon, dann ist es Korruption. Oder sie zahlen das Geld ohne Gegenleistung, dann ist es Untreue gegenüber ihrem Unternehmen."

Zahlreiche Parlamentarier übten zudem neben ihrem Mandat auch noch einen Lobbyberuf aus. Von Arnim nannte mehrere Fälle von Abgeordneten, die zugleich an leitender Stelle in Lobbyorganisationen, Berufsverbänden oder Gewerkschaften agierten. "Die politische Klasse hat in dieser Frage kein Unrechtsbewußtsein."

"Schmiergeld-Spülungen" und politische Verfolgungen