Politik 2005

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"NPD, erstmals seit den sechziger Jahren von rechts her eine echte
Herausforderung für die etablierten politischen Kräfte"
Deshalb Verbotsantrag

"Wer die Wahrheit kennt oder Teile davon, wird in Deutschland schon des illegalen Waffen-besitzes beschuldigt." (Hagen Palleske)

"Wie 'frei', wie 'westlich' ist eine Ordnung, die bestimmte politische Gesinnungen für illegal erklärt? 60 Jahre nach Kriegsende bedeutet die Idee des Verbots gewaltlos agierender Oppositionsparteien nichts als einen neuen deutschen Sonderweg. Die NPD in Dresden hat ein Personal versammelt, dessen operative und strategische Intelligenz auffällt. Die Lage ist also ernst." (Die Welt)

In der BRD werden die Menschen gezwungen, Dinge zu glauben, die sie nicht glauben können. Wenn das demokratisch sein soll?

Wahrzeichen einer Maulkorb- und Verfolgungs-Demokratie?

Die Welt, 5.2.2005, Seite 9

NPD, die wahre Avantgarde im politischen Spek-trum Deutschlands, die neue Kraft, die Elite-Partei für das deutsche Volk, deren "operative und strat-gische Intelligenz auffällt".

Politik kennt keine Bahnsteigkarten

Statt die NPD zu verbieten, müssen sich die etablierten Parteien der freien Gesellschaft stellen

von Tobias Dürr

Nicht das Scheitern eines erneuten Verbotsantrages gegen die NPD wäre jene "Katastrophe", vor der ein Sprecher des Bundesinnenministeriums gewarnt hat.

Wirklich katastrophal wäre es vielmehr, wenn versucht würde, ausgerechnet im Namen der Verteidigung von freiheitlicher Demokratie und offener Gesellschaft den Irrweg des Verbots oppositioneller Parteien einzuschlagen. ...

Offenkundig ist weiterhin, daß mit der NPD erstmals seit den sechziger Jahren von rechts her eine echte Herausforderung für die etablierten politischen Kräfte heranwächst.

Sie hat mit ihren 9,2 Prozent in Sachsen einen sie selbst berauschenden Erfolg erzielt, über den freilich nur verblüfft sein konnte, wer über die trostlosen mentalen Verhältnisse in Teilen Ostdeutschlands wenig weiß.

Seither hat die NPD in Dresden ein Personal versammelt, dessen operative und strategische Intelligenz auffällt. Die Lage ist also ernst.

Aber es hilft nichts: Mit der Herausforderung einer entschlossenen und zunehmend strategiefähigen fundamentaloppositionellen Rechtspartei müssen die Anhänger von freiheitlicher Demokratie und offener Gesellschaft politisch fertig werden.

Schwierig wird dies vor allem deshalb, weil die etablierten Parteien ihrem ganzen Selbst- und Demokratieverständnis nach so erschreckend schlecht auf derartig elementare Herausforderungen vorbereitet sind.

Gerade der Verbotsdiskurs offenbart die Orientierungslosigkeit etablierter Parteipolitiker, die aus den Augen verloren haben, daß Parteien immer zunächst gesellschaftliche Phänomene sind und sein müssen. Auch für SPD und CDU, Liberale und Grüne galt das irgendwann einmal. Historisch gesehen sind die heute im Bundestag vertretenen Parteien allesamt als oppositionelle Bewegungen aus der Gesellschaft selbst hervorgegangen. Entlang von umkämpften Ideen und Interessen entstanden sie in Konflikten mit Obrigkeiten und konkurrierenden Kräften ihrer Gründungsära.

Der historische Prozeß ist aber keineswegs zum Stillstand gekommen. Es wäre eine Illusion zu meinen, ausgerechnet der Parteienwettbewerb könnte im 21. Jahrhundert vom rasenden ökonomischen und gesellschaftlichen Wandel ausgenommen bleiben.

NPD, eine wahre Avantgarde

"Insofern enthält der Gebrauch des Begriffs 'Holocaust' [durch die Ge-schichtsrevisionisten von rechts] doch etwas Neues. Sie bringen den düsteren Subtext des inflationierten Redens über den Holocaust auf den logischen Punkt - und erweisen sich damit als wahre Avantgarde."

Die Welt - Literarische Welt, Essay, 5.2.2005, Seite LW5

Es gibt neue Konflikte, neue Gewinner und Verlierer, weit über fünf Millionen Menschen sind ohne Arbeit - wie sollte sich das alles nicht auch im Parteienwettbewerb niederschlagen? Aus der Gesellschaft gehen Parteien auch heute noch hervor. Innerhalb der Gesellschaft und mit politischen Mitteln muß deshalb die Auseinandersetzung gesucht und geführt werden.

Das gilt erst recht für den Streit mit jenen Parteien, die die freiheitliche Verfaßtheit des Gemeinwesens ablehnen und (gewaltlos) bekämpfen. Wo solche Parteien erfolgreich sind, versteht sich der freiheitlich-demokratische "Konsens" offenbar nicht mehr von selbst, sondern muß neu errungen werden. Dabei wird es den "Altparteien" im politischen Wettbewerb gelingen, sich zu erneuern und die fundamentaloppositionellen Herausforderer aus dem Feld zu schlagen - oder nicht.

Doch diese Selbstbehauptung können sie an keine juristische, nachrichtendienstliche oder administrative Institution delegieren, ohne Prinzip und Wirklichkeit der freiheitlichen Demokratie auszuhebeln, die ohne umfassendes Recht auf Opposition undenkbar ist.

Der große Politologe Wilhelm Hennis hat immer wieder auf die gesellschaftliche Bedingtheit der politischen Parteien hingewiesen. Sie existieren, so Hennis, eben nicht deshalb, weil in der Verfassung steht, daß es sie zu geben habe; sie sind nicht "beauftragt" mit der Wahrnehmung von "Aufgaben" und "Obliegenheiten", die ihnen das Grundgesetz zugewiesen hat: "Freiheitliche politische Willensbildung braucht keine am Schalter der Verfassung gelöste Bahnsteigkarte."

In freien Gesellschaften sind Parteien freie gesellschaftliche Zusammenschlüsse; sie zu quasi staatlichen Verfassungsorganen umzudeuten, ist ein deutsches Nachkriegsmißverständnis, aus dem bis heute der nicht gerechtfertigte Umkehrschluß gezogen wird, nur jederzeit verfassungsfromme Parteien besäßen politisches Existenzrecht.

Historisch ist dies erklärlich: Die inhaltlich bestimmte, "wehrhafte" Demokratie der Nachkriegsära sollte verhindern, daß Freiheit und Demokratie in Deutschland jemals wieder von ihren Feinden abgeschafft werden könnten. Doch wer zieht die Grenzen und nach welchen Kriterien?

Wie "frei", wie "westlich" ist eine Ordnung, die bestimmte politische Gesinnungen für illegal erklärt? 60 Jahre nach Kriegsende bedeutet die Idee des Verbots gewaltlos agierender Oppositionsparteien nichts als einen neuen deutschen Sonderweg.

Dieser ist auch deshalb schädlich, weil er die etablierten Parteien in ihrer einschläfernden Illusion bestätigt, sie besäßen eine Existenzgarantie von Rechts wegen. Doch diese Garantie gibt es nicht, und es kann sie in einem freien Land nicht geben. Die Zeiten sind härter geworden, in Sachsen und anderswo geht es heute schon ums Ganze der freiheitlichen Demokratie.

Tobias Dürr ist Chefredakteur der Zeitschrift "Berliner Republik"