Politik 2004

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Minister klagt über "EU-Schwuchtel-Lobby"

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,322950,00.html - spiegel.de, 13. Oktober 2004

"Die Schwuchteln sind in der Mehrheit"

Von Dominik Baur

Minister Mirko Tremaglia:

"Armes Europa. Die Schwuchteln sind in der Mehrheit."

Der Streit um den designierten EU-Kommissar Rocco Buttiglione hat in Italien ein politisches Gewitter ausgelöst. Minister Mirko Tremaglia wollte seinem Kabinettskollegen zur Seite springen - ausgerechnet mit einer homophoben Verbalattacke gegen das Europaparlament. ...

Hamburg - Die Pressemitteilung war kurz und bündig. Auf dem offiziellen Briefpapier seines Ministeriums stand unter der Überschrift "Tremaglia schaltet sich in die Angelegenheit Buttiglione ein" lediglich der prägnante Einzeiler des Ministers: "Leider hat Buttiglione verloren. Armes Europa: Die Schwuchteln sind in der Mehrheit." Punkt.

Mit dem drastischen Kommentar reagierte der Politiker der postfaschistischen Alleanza Nazionale (AN), der das etwas ungewöhnliche Amt des Ministers für Italiener im Ausland bekleidet, auf die Ablehnung des designierten EU-Kommissars für Justiz, Rocco Buttiglione, durch den Bürgerrechtsausschuss des Europäischen Parlaments. Mit einer Stimme Mehrheit hatten die Parlamentarier dem italienischen Europaminister Buttiglione die Befähigung für das Amt abgesprochen. Der Christdemokrat und Papst-Vertraute hatte darauf hingewiesen, als Katholik betrachte er Homosexualität als Sünde ...

Im Vergleich zu den Äußerungen seines Ministerkollegen nehmen sich die Ausführungen Buttigliones über die Homosexualität gerade zu zahm aus. ...

Die Beleidigung Tremaglias war so heftig, das auch der italienische Staatsrundfunk nicht damit umzugehen wusste. Die RAI berichtete zwar über die Debatte, vermied aber verschämt das Wort "Culattoni", eine äußerst vulgäre Bezeichnung für Homosexuelle, die sich von dem Wort "Culo" (Arsch) herleitet, und sich im Deutschen am ehesten mit "Schwuchtel" wiedergeben lässt. ...

Derartige Scham kennt Tremaglia nicht. Am Tag nach dem Statement wollte der Minister nichts von seiner Aussage zurücknehmen, er wollte noch nicht einmal zugestehen, dass er sich in der Formulierung vergriffen haben könnte. Im Interview mit der Zeitung "La Repubblica" legte er sogar noch nach: Die "Lobby der Schwulen" habe zur Niederlage Buttigliones beigetragen. "Ich nenne sie Schwuchteln, und ich wiederhole es. Ich bin ein Mann aus Bergamo und ich werde nicht plötzlich von Schwulen sprechen; ich spreche von Schwuchteln, weil man sie bei uns so nennt."

Tremaglias Äußerungen waren auch Gegenstand zahlreicher Zeitungskommentare in Italien. In einem wurde der 77-Jährige als Nostalgiker des Faschismus bezeichnet, unter dessen Herrschaft Homosexuelle ins Gefängnis gesteckt worden waren. Die Vergangenheit des Politikers gibt Anlass zu solchen Vermutungen. Als junger Mann hatte er in der Armee der von den Nazis errichteten Republik Salo gedient und dort für die Wiedereinsetzung des 1943 gestürzten Diktators Benito Mussolini gekämpft.

Auf die Frage der "Repubblica"-Journalistin, wie er zum Vorwurf stehe, er sei ein "alter Faschist", antwortete er, dass Historisches nichts mit der "Frage der Schwuchteln" zu tun habe. Den Vorwurf als solches zu entkräftigen, hielt Tremaglia nicht für nötig.

 

Rocco Buttiglione: "Homosexualität ist eine Sünde."

 

Der designierte Justiz- und Innenkommissar Rocco Buttiglione aus Italien ... wies die Kritik des Rechtsausschusses [der EU] an seiner Per-son als Diskriminierung zurück. Seine Zurückweisung durch den Ausschuss sei nicht inhaltlich begründet, erklärte der konserva-tive italienische Politiker laut Tageszeitung "Il Messaggero". "Aber als Katholik und als Mitglied der Regierung von (Mi-nisterpräsident Silvio) Berlusconi sagen sie, kann ich nicht Eu-ropäischer Kommissar werden." Der Rechtsausschuss hatte sich am Montag mit 27 zu 26 Stimmen gegen Buttiglione als Justizkommissar und mit 28 zu 25 Stimmen gegen ihn als Kommissions-Vizepräsident ausgesprochen. ...

Der designierte Justizkommissar hatte in der Anhörung vor dem Ausschuss vergangene Woche gesagt, als Katholik halte er Homo-sexualität für eine Sünde ...

Unterdessen sorgte ein weiterer italienischer Spitzenpolitiker mit Äußerungen über Homosexuelle für Empörung. Mirko Tremaglia, der Minister für Italiener im Ausland, sagte Medienberichten zufolge zu der Entscheidung des Ausschusses: "Armes Europa. Die Schwuchteln sind in der Mehrheit." Tremaglia gehört der rechtsextremen Partei Nationale Allianz an.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,322765,00.html - spiegel.de, 12. Oktober 2004

"Du darfst einem Mann nicht beiwohnen, wie man einer Frau beiwohnt; das wäre ein Greuel."

(Bibel, Altes Testament, Leviticus, 18:22, also das Wort des Judengottes)