Jüdische Studien 2004

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"Israel ist eine zusammenkrachende Realität,
die auf den Fundamenten von Korruption,
Unterdrückung und Unrecht ruht."

Copyright © 2003 The American Conservative - December 15, 2003 issue
http://www.amconmag.com/12_15_03/buchanan.html

Aufstehen gegen Scharon

Von Pat Buchanan

"Israel ist eine zusammenkrachende Realität, die auf den Fundamenten von Korruption, Unterdrückung und Unrecht ruht." Hätte diese Worte ein amerikanischer Politiker ausgesprochen, wäre er als Antisemit angeprangert worden. Allein, diese Aussage stammt von dem ehemaligen Knesset-Sprecher (Sprecher des israelischen Parlaments) Avraham Burg. "Der Countdown des Endes der israelischen Gesellschaft hat begonnen. Das Ende des zionistischen Unternehmens steht vor der Tür," schreibt Avraham Burg.

"Israel, das aufgehört hat, sich um palästinensische Kinder zu kümmern, sollte nicht überrascht sein, wenn diese sich nunmehr haßerfüllt in den Zentren der israelischen Fluchtburgen in die Luft sprengen." Burg appellierte an die Juden in der Welt: "Die Diaspora-Juden müssen jetzt das Wort ergreifen." Leider verhallte sein Appell.

"Wenn man Menschen hinter Stachel-draht einpfercht, sie wie in Käfigen hält, ihnen trotz internationaler Reso-lutionen ihr Land wegnimmt und ihre Häuser mit Bulldozern niederwalzt, dann beschwört man Widerstand herauf."

[Rev. Tom Wright, hochrangiger anglikanischer Bischof, England, zitiert gemäß Jewish Telegraph Agency, 29 December 2003]

Warum? Warum nur bleiben wir so still, während ein Mitglied der Knesset so uneingeschüchtert offen spricht? Warum nur bringen wir keinen Ton heraus, wenn Ariel Scharon Amerikas den guten Namen Amerikas durch den Schmutz und das Blut von Ramallah und Jenin zieht? Hat uns Burke nicht gelehrt, daß "derjenige, der, wenn er protestieren müßte, durch Stillschweigen sündigt, ein Feigling ist"?

Israelis setzen der Macht Wahrheit entgegen. Der Armee-Chef Moshe Yaalon sagte in einem Zeitungsinterview, daß es Scharon war, der den palästinensischen Ministerpräsident Mahmoud Abbas ins Leere laufen ließ. 27 israelische Kampfpiloten verweigerten "unmoralische Befehle" in Verbindung mit Luftangriffen "auf zivile Zentren".

500 israelische Soldaten weigerten sich, an Repressionen gegen Palästinenser teilzunehmen. Vier ehemalige Chefs des Geheimdienstes Shin Beit, Ami Ayalon, Carmi Gillon, Yaakov Peri und Avraham Shalom, beschuldigten Scharon, Israel in den Ruin zu führen. "Wir steuern in den Abgrund auf die nahende Katastrophe zu," sagt Peri. "Wenn wir weiterhin mit dem Schwert leben, werden wir fortfahren, uns im Schlamm zu suhlen und uns selbst zerstören."

Ayalon und der palästinensische Akademiker Sari Nusseibeh erstellten eine Deklaration von Prinzipien für das Zusammenleben von Israelis und Palästinensern. Die Erklärung verlangte den israelischen Rückzug hinter die Grenzen von 1967. Ex-Justizminister Yossi Beilin handelte eine detaillierte Abmachung mit einem ehemaligen palästinensischen Minister aus. Colin Powell unterstützte diesen Vorschlag in einem Brief an die beiden. Wo aber bleibt George W. Bush?

Warum bleibt Bush still, obwohl uns Scharon in eine Sackgasse führte, aus der es keinen Ausweg gibt? Warum läßt es unser Präsident zu, daß Scharon den Rest unseres Rufes in der arabischen Welt zerstört? Scharon versprach Frieden und Sicherheit. Aber er lieferte Krieg und Haß. Über 700 Israelis sind tot. Etwa 2500 Palästinenser starben, darunter Hunderte von Kindern. Tausende wurden verwundet. Häuser und Olivenhaine der Palästinenser wurden zerstört.

Zu allem Überfluß genehmigt Scharon neue Siedlungen, ohne das Präsident Bush auch nur einen Piep von sich gibt. Howard Dean schlug vor, daß die Nahost-Politik Amerikas "ausgewogener" gestaltet werden müsse. Er wurde von hochrangigen Funktionären der demokratischen Partei gewarnt, einen solchen Vorschlag nie wieder zu machen. Warum sind unsere Politiker so feige, warum fürchten sie sich so sehr vor der Israel-Lobby. Eine Lobby, die nicht für Israel spricht, und für Amerika schon gar nicht?

Israel befindet sich in einer existentiellen Krise. Seine Möglichkeiten des Überlebens schwinden von Monat zu Monat mehr. Israel kann alle Palästinenser aus ihrem Land hinaus, nach Jordanien jagen. Ein monströses Verbrechen, das von einigen der israelischen Rechten propagiert wird. Israel kann sich und Jerusalem mit einer Mauer abriegeln und für die Palästinenser einen zusammengestutzten, winzigen Staat zurücklassen. Doch eine solche Politik wird zu einer ewigen Brutstätte des Terrors werden. Genau diese Politik betreibt Scharon derzeit.

Oder Israel gibt den Palästinensern, was Oslo, Camp David, Taba, der Saudi-Plan und die "road map" ihnen versprachen, einen eigenen Staat.

Wenn Israel demokratisch und jüdisch bleiben soll, muß es entweder die West-Bank, Gaza und Ost-Jerusalem abgeben, oder alles annektieren und den Palästinensern volle Bürgerrechte in einem Zwei-Nationen-Staat gewähren. Sind die israelischen Juden willens, das zu praktizieren, was amerikanische Juden predigen: Gleichheit und Multikulturalismus?

Israel ist frei, seinen Weg selbst zu bestimmen. Aber Amerika braucht eine Nahost-Politik, die in den USA gemacht wird und nicht in Tel Aviv, oder bei AIPAC bzw. AEI. Präsident Bush sollte die amerikanische Unterstützung für Israels Überleben erneuern, aber gleichzeitig seine Verachtung gegenüber Scharons doppelzüngiger Politik zum Ausdruck bringen. Während er vom Frieden redet, betreibt er die schleichende Landnahme und Repression.

Scharon sollte gesagt werden, daß alle Siedlungen und Außenposten, die seit Bushs Amtsantritt errichtet wurden, zu räumen sind. Es sollte ihm auch gesagt werden, daß die Mauer, die durch das Land der kommenden palästinensischen Nation führt, eingerissen werden muß. Andernfalls wird Amerika sämtliche Hilfeleistungen an Israel einstellen.

Sollte dies Scharons Politik unterlaufen, um so besser. Wenn wir den Arabern Demokratie predigen, dann müssen wir jenem Regime dieselbe Predigt halten, das behauptet, die einzige Demokratie der Region zu sein, während es drei Millionen verfolgte Palästinenser als Sklaven hält.

Als Israels Wohltäter und Beschützer haben wir Amerikaner ein Recht darauf, daß unsere Werte bei der Behandlung der Palästinenser respektiert werden. Wir haben ein Recht darauf, unsere lebenswichtigen Interessen immerzu im Auge zu behalten, was in den vergangenen 50 Jahren kaum der Fall war.

Patrick J. Buchanan war zweimal Präsidentschaftskandidat der Republikaner und einmal für die Reform-Partei im Jahre 2000. Heute ist Pat Buchanan ein Medien-Kommentator und Kolumnist. Er arbeitete für drei Präsidenten im Weißen Haus und war Mitglied der Gründungsgremien von drei US-Fernsehshows. Außerdem schrieb er sechs Bücher. Sein neuestes Buch "Death of the West" (Der Tod des Westens) erscheint im Januar.