Politische Verfolgungen 2003

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Jagdszenen aus Berlin

Das "verlogene System der politischen Korrektheit", angeführt von einem bekennenden "unverbesserlichen Scheißliberalen" macht Jagd auf einen untadeligen Pädagogen - "wenn nötig bis in den Tod". Sie jagen den Berliner Lehrer Karl-Heinz Schmick. Die Verbrechen des Herrn Schmick bestehen darin, daß er weiß, was in Auschwitz geschah und was nicht geschah. Doch er spricht die Wahrheit nicht aus, sondern hält sich an die schulisch vorgegebenen Lügen von "vier Millionen Auschwitz-Ermordeten". Allein die Tatsache, daß er national eingestellt ist und um die Auschwitz-Wahrheit weiß, macht ihn zum Erzfeind der "verlogenen politischen Korrektheit". Ein Erzfeind, der erlegt werden muß! Karl-Heinz Schmick wird von den Boulevard-Zeitungen und Fernsehgutmenschen wie Günther Jauch als Auschwitzleugner gebrandmarkt, weil er seinen Schülern die Tatsache lehrte, daß "Stalin mehr Menschen umbrachte als Hitler". Ein weiteres Schwerverbrechen von Schmick ist, daß er die Lügen der sogenannten Wehrmachtsausstellung anprangerte. Dafür wurde er von der Polizei wie ein Schwerstkrimineller abgeführt. Deutschland ist gemäß DER SPIEGEL das "Land der Lügen". D.h., wer in Deutschland die historische Wahrheit sucht und ausspricht, wird gejagt, gehetzt, verfolgt, eingekerkert. Der Anführer der Meute, die Karl-Heinz Schmick jagt, der "Scheißliberale" Frantz, ist sogar bereit, Schmick in den Tod zu hetzen.

© Der Spiegel 42/13.10.2003, Seiten 74- 82:

BERUFSVERBOT

Karl-Heinz Schmick klärte Besucher der soge-nannten Wehrmachtsausstellung über die dort gezeigten Fälschungen auf. Daraufhin wurde er verhaftet und abgeführt wie ein Schwerverbrecher.

Wie rechts darf ein Lehrer sein?

Seit drei Jahren kämpft der Berliner Lehrer Karl-Heinz Schmick um seine Existenz: Aufgebrachte Eltern halten ihn für einen Nazi und haben für seine Suspendierung gesorgt - sogar Bundespräsident Rau, die Kirchen und der TV-Star Günther Jauch wurden eingeschaltet. Von Ullrich Fichtner

Jemand musste Karl-Heinz Schmick verleumdet haben, denn am Morgen des 4. Dezember 2000 wurde er von der "Bild"-Zeitung aus dem Haus geklingelt, die Hunde spielten verrückt, die Reporter an der Gartentür sagten, dass gegen ihn ermittelt werde. Sie machten Fotos, sie fragten, was an den Vorwürfen dran sei. Ob er, Schmick, im Unterricht die Geschichte fälsche? Ob er seine Schüler über Auschwitz belüge? Ob er, Hand aufs Herz, ein Nazi sei?

Karl-Heinz Schmick, Studienrat, 51 Jahre alt damals, seit 19 Jahren Beamter auf Lebenszeit, ledig, kinderlos, vier Hunde, ein dünner Mann mit dicker Brille, die wenigen Haare vom linken Ohr weg über den Kopf gekämmt, er war schon vor jenem 4. Dezember, in diesem wilden Jahr 2000, an Arger und Attacken jeder Art gewöhnt.

Aber an diesem Wintertag, die "Bild"Zeitung im Vorgarten, bekam es Schmick mit der Angst zu tun. Von nun an, er konnte es spüren, er konnte es lesen in allen Berliner Zeitungen, ging es um seine Existenz. Er fühlte sich, sagt er, "mit einem Mal gehetzt wie Lady Di".

Die Akte Schmick hatte damals schon gut 100 Seiten, formlose "Vorermittlungen", gesammelt im Rechtsreferat ZS E des Berliner Landesschulamts unter dem Zeichen 412 D 119/00. Sie war noch lange nicht der schwere Turm aus Papier, der sie heute ist, 2000 Blatt in fünf Leitz-Ordnern und neun ausgebeulten Hängekladden, 2000 Seiten Vernehmungsprotokolle, Gerichtsurteile, Vorladungen, Gutachten, Telefonvermerke, Geheimbriefe, Presseausrisse - ein gewaltiges deutsches Dokument.

In den nächsten Tagen wuchs es um einen ganzen Schwung neuer Presseberichte: "Unser Lehrer - rechtsradikal?", "Lehrer als Rechtsextremist verdächtigt", "Schleppende Ermittlungen gegen Lehrer 5.". Schmick hat Glück, wenn sein Name nur abgekürzt gedruckt und er nicht im Bild gezeigt wird.

Aber die "Bild"-Zeitung bringt ein großes Foto von ihm, an der Gartentür, und schreibt in fetter Schrift dazu, mit Pfeil: "Protest-Aktion gegen diesen Berliner Lehrer". Schmick steht, spätestens am Nikolaustag 2000, vor aller Welt als mutmaßlicher Neonazi da.

Am 7. Dezember bekommt er, per Fax und per Post mit Zustellungsurkunde, einen Brief des Landesschulamts, "Betr.: Freistellung vom Dienst". Aus ihm erfährt Schmick offiziell, dass von Amtsseite gegen ihn ermittelt werde. Dass er "aus fürsorgerischen Gründen" mit sofortiger Wirkung und bis zur Entscheidung "über die Verhängung eines Verbots der Amtsausübung" suspendiert sei.

Der Berliner Schulamtsleiter Pieper, der "hochachtungsvoll" verbleibt, macht Schmick mit einem ersten Katalog konkreter Vorwürfe bekannt, es wird im Lauf der Jahre viele Varianten dieser Liste geben. Die allererste ist eine bunte Mixtur übler Nachreden. Petitessen dabei, haltlose Elternbeschwerden, aber auch die Auschwitz-Leugnung, dazu die "Banalisierung von Mordvorgängen" und ein Fall von angeblicher Übernahme "nationalsozialistischer Propaganda".

Schwer zu sagen, wann genau Schmicks Fall wirklich beginnt. Die ältesten Vorwürfe, die im Lauf der Jahre von Ämtern und Eltern zusammengetragen werden, stammen von 1989, als sich Schmick gegen die Umbenennung der Tannenberg-Oberschule in Willi-Graf-Oberschule wehrte.

Der Streit damals gibt im Grunde schon die Tonart für alles Weitere vor, er erzählt vom Elend deutscher Geschichtsdebatten, aber auch von Schmicks fiebriger Lust an ihnen. Es ging damals nicht darum, sagt Schmick, und Kollegen bestätigen es ihm, dass er etwas gegen Willi Graf gehabt hätte, einen Widerstandskämpfer der ruhmreichen "Weißen Rose".

Aber Schmick war trotzdem gegen die Umbenennung, weil er weiterhin für Tannenberg war, für den alten, verblassenden Namen, der an jene siegreiche deutsche Schlacht im Ersten Weltkrieg erinnerte. Er war dagegen, weil eben auch der Erste Weltkrieg zur deutschen Geschichte gehöre und weil auch die Benennung von Gymnasien nach Tannenberg zur deutschen Geschichte gehöre und weil überhaupt die deutsche Geschichte größer sei und länger dauere als von 1933 bis 1945.

Der Rummel, den es damals gab, kostete Schmick zum ersten Mal den Job. Er wurde - weil er nicht klein beigab, weil er, im Gegenteil, die Lehrergewerkschaft GEW und die SPD für banales, borniertes Linkssein attackierte, weil er das Lehrerkollegium spaltete, weil er mit Schülern in der Aula eine Riesenausstellung über Tannenberg organisierte, weil er also den Schulfrieden störte - strafversetzt.

Gymnasium Steglitz, dunkler Backstein, humanistische Ausrichtung. Schmicks neue Dienststelle gilt als eines der besten Gymnasien Berlins. Aber Schmick wird nicht befördert; er wird abgeschoben. Und es bleibt an ihm - das ist wichtig, um die Mechanik seines Falls zu verstehen - vor allem hängen, dass er etwas gegen die "Weiße Rose" habe; und womöglich auch sonst "ein Problem" mit dem Dritten Reich.

Die Versetzung von der Tannenberg-Schule hat Schmick, man spürt das beim Reden, nie ganz verwunden. Er fühlte sich ungerecht behandelt. Er, nicht seine Feinde, war doch in Sachen Tannenberg der wahre Anwalt der Geschichte. Sie, nicht er, waren doch die wahren Ideologen.

Schmick schob seinen neuen Dienst in Steglitz unbeanstandet, er lehrte, was er gelernt hatte. Geschichte, Erdkunde, PW, das heißt: Politische Weltkunde. Nebenbei übernahm er Vertretungen in Sport, betrieb eine Handball AG, engagierte sich gut. Schulleiter Gey hat jahrelang keinerlei Probleme mit dem Neuen, lobt ihn sogar für seine vielseitige Einsatzbereitschaft.

Im Steglitzer Lehrerzimmer wird Schmick von den Kollegen durchaus geschätzt. Sie lernen "Kalle" Schmick kennen als ebenso freundlich wie sonderbar, so hilfsbereit wie schrullig.

Schmick ist ein schräger Vogel, eine wandelnde Karikatur des ewigen Junggesellen, der unter räudig-braunen Wollpullovern blau-grüne Holzfällerhemden trägt.

Seine vier Hunde zu Hause, alles Beagle - Oswald, Pluto, Asta, Ella - hat er aus Tierversuchslaboren herausgekauft. Sein Auto, feuerrot, ist ein 15 Jahre altes Sportcoupé, Toyota MR2, im Heckfenster bekennen Aufkleber Schmicks Liebe zu Preußen, zu Berlin, zu Brandenburg.

Ein bloß possierlicher Sonderling ist Schmick aber trotzdem nicht. In Diskussionen erleben ihn Lehrer und Schüler auch hochfahrend, rechthaberisch, fuchtelnd. Er kann geifern wie ein Fanatiker. Und alles will er immer bis zum Ende ausfechten, auf Biegen und Brechen. Seine Briefe unterschreibt er in gewittrigen Buchstaben, und nie verbleibt er ohne den Zusatz "M. A. - Studienrat".

Magister Schmick. Die Schüler an der Steglitzer Heesestraße wissen bald, dass er ein Konservativer ist, ein Rechter, wie Schüler das so sagen: "Der Schmick ist rechts", "Der ist CDU", "ein Schwarzer halt". Von "braun" ist nie die Rede. Auch von Neonazi nicht. Diese Keule trifft ihn erst viel später. Die Schüler erzählen von Schmick, dass er sie überfordere, dass er im Klassenzimmer Universität spiele, dass er schon die Kinder zum eigenständigen Mitschreiben zwinge. Schmick scheint eine schwache Autorität zu sein, er kann sich nicht gut durchsetzen. Die Schüler erzählen, dass in seinen Stunden alle durcheinander schnattern, und dass er dann manchmal in eine Trillerpfeife bläst, um Frieden zu erzwingen. Sie erzählen auch, dass er ein Sprücheklopfer ist, der zur Auflockerung müde Witzchen reißt, ranzige Sachen nach der Art: "Wie lang muss die Kette einer Frau sein? Ganz einfach: von der Küche bis ins Schlafzimmer."

Darüber gähnen schon die Sechstklässler. Aber sie lachen auch, wenn Schmick sie "meine Erdnuckel" nennt, wenn er zu Schülern "Affe" sagt oder wenn er ein koreanisches Mädchen als "Korea-Import" aufruft. Es kommt bei solchen Sachen auf den Ton an. Die Schülerin, die Schmick "Korea-Import" nennt, findet gar nichts dabei. Er wird es trotzdem noch etliche Male vorgehalten bekommen.

In den oberen Klassen streitet sich Schmick und lässt streiten, immer wieder, und immer wieder über dieselben Themen, seine Themen. Magister Schmick. Anwalt der Geschichte. Wenn in Berlin eine Demo "gegen rechts" ansteht, empfiehlt er seinen Schülern zwar, daran teilzunehmen. Er lässt sie aber auch wissen, dass er das Motto "gegen rechts" für völlig daneben hält. Es müsste, doziert er, wenigstens "gegen Rechtsextremismus" heißen. Dann aber müsse man auch gegen den Linksextremismus sein. Es geht hoch her in Schmicks Geschichtsstunden.

Die Schüler lassen Schmick nichts durchgehen. Sie fühlen sich herausgefordert. Sie opponieren. Er wolle, sagt Schmick, und damit hat er durchaus Erfolg, keine Duckmäuser produzieren, sondern "couragierte Bürger". Er meint damit aber auch, ziemlich eindeutig, die Courage gegen die ihm verhasste Gutmenschelei der Linken.

In diesem Bemühen geht er weit; und er geht dabei offenkundig auch sehr weit nach rechts. Einer Kollegin sagt er, ihm gehe es nicht um ein Schwarz-Weiß-Bild der Geschichte, sondern "um die Grautöne".

Die Wehrmacht ist bei ihm kein Verein von Hitlers willigen Helfern oder gar Verbrechern.Vielmehr setzt er seinen Schülern auseinander, wie und wann welche Erschießungen während des Zweiten Weltkriegs vom Kriegsrecht gedeckt und wann sie nicht gedeckt gewesen seien.

Sogar beim Thema Auschwitz meint Schmick, Differenzierungen anbringen zu können, Er doziert darüber, dass es sich nicht um ein reines Vernichtungs-, sondern auch um ein Arbeitslager gehandelt habe. Das sei wichtig, meint er, weil es aktueller Forschungsstand sei, weil die Schüler keine falschen Bilder mit sich herumtragen dürften. Aber an solchen Stellen schrillen trotzdem alle Alarmglocken. Es ist ein Reflex. Und der Reflex sagt: Das geht nicht.

Andererseits: Kein einziger von Schmicks Schülern hat je erzählt, dass er die Judenvernichtung unterschlagen hätte. Dass er den Holocaust nicht "durchgenommen" hätte. Dass er einer Klasse hätte erzählen wollen, die Nazis hätten keine Juden umgebracht. Schmick schillert. Er ist ein Grenzgänger. Er ist ein Rätsel.

Wirklich sind es, bis heute, nur drei, vier Schüler, von über tausend am Gymnasium, die Schmick explizit für einen Nazi halten. Und diese drei, vier gehen im Dezember 2000 in die berüchtigte und im Lehrerzimmer explizit so titulierte "Antifa-Klasse" 11 delta. Sie werden sich später, als Kronzeugen gegen Schmick, schwärmerisch und mit kindlichem Stolz selbst als "Anarchisten" bezeichnen. Sie meinen es gut.

Ungewiss, ob sie ihre Finger im Spiel haben, als am 23. Mai 2000 die Rufmordkampagne gegen Schmick beginnt. An diesem Tag kursiert ein verwaschenes Flugblatt auf dem Schulhof, in den Gängen, in den Klassen, es zeigt in der Mitte Schmicks Bild, darüber steht die Frage: "Braune Bildung am Gymnasium Steglitz?"

Die Schrift ist als "Antifa-Jugendinfo" deklariert, der Name des Verantwortlichen im Sinne des Presserechts ist falsch, der Text klingt ein bisschen so, als würden Gymnasiasten heute "Weiße Rose" spielen. Schmick wird der Holocaust-Relativierung bezichtigt, der Nähe zum Nazi-Denken, der "Menschenverachtung". Der Schrieb endet, pathetisch, vor dickem Ausrufezeichen, mit der Parole "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!" Am Gymnasium ist die Hölle los.

Schulleiter Gey fordert Schmick noch am selben Tag zu einer Stellungnahme auf, die er am 29. Mai bekommt, aber "unbefriedigend" findet. Schmick bekennt sich zu Demokratie und Grundgesetz, er weist den im Flugblatt erhobenen Vorwurf der Holocaust-Relativierung als "perfide" zurück. Er bittet darum, "ein solches Pamphlet nicht ernsthaft als Basis für Verdächtigungen und Vorwürfe in Betracht" zu ziehen.

Für den 7. Juni 2000 wird eine außerordentliche Sitzung der Gesamtelternvertretung angesetzt, Thema Politische Bildung am Gymnasium Steglitz". Das Treffen endet mit vielen Bekenntnissen zur Demokratie.

Tags darauf, am 8. Juni, debattiert die schulische Gesamtkonferenz. Schmick ist Tagesordnungspunkt Nummer vier. Er ist selbst anwesend. Es geht hart zur Sache. Kollegen attackieren Schmick als unerträglichen Rechtsausleger, andere nehmen ihn laut in Schutz. Schmick wehrt sich wütend.

Er selbst wird Thema im Geschichtsunterricht des Gymnasiums. In der 10b erzählen die Schüler von ihren Erfahrungen mit ihm. Es sei klar, dass Schmick "rechtem Gedankengut nahe steht", schreiben sie in einem Brief an den Schulleiter Gey. "Dies bedeutet nach unserer Ansicht allerdings nicht automatisch, dass er etwa als Neonazi einzustufen ist."

Verbrechen der Alliierten dürfen nicht betont werden, das verbietet die "verlogene politische Korrektheit."

"Der Bombenkrieg gegen Deut-schland ... war daher ein Verbrechen. Mich stört es, wenn man solche Erkenntnisse nicht betonen ‘darf’. Dieser Common Sense ist verlogen - wie die gesamte ‘politische Korrektheit’. Wenn jemand Leid erlitten hat, ist es sein Recht, das zu be-klagen. ... Jüdisches Leben ist so wertvoll wie deutsches und palästinensisches. Nicht mehr und nicht weniger."

Der jüdische Schriftsteller und Journalisten Rafael Seligmann in
Die Welt, 30.10.2003, S. 27

Eine Gruppe engagierter Eltern sieht das ganz anders. Nach der Gesamtkonferenz landen 20, 30 aufgebrachte Mütter und Väter in einer Pizzeria nahe der Schule. Sie teilen ihre Empörung. Sie finden Schmick unmöglich.

Am Ende des Abends trauen sie ihm alles zu. Holocaust-Leugnung, Geschichtstricksereien, Wortklaubereien. Sie fürchten um ihre Kinder. Eine Mutter erzählt, ihr Sohn habe beim Mittagstisch Hitler mit Stalin und Pol Pot verglichen. Er habe gesagt, Stalin habe mehr Menschen umgebracht als die Nazis, und Pol Pot sei auch schlimm gewesen.

Die Mutter fragte, woher er das habe. Der Sohn sagte: Schmick. In der Pizzenia, an diesem Abend, es ist der 8. Juni 2000, wird der Gedanke für eine Elterninitiative geboren. Man könnte auch sagen: An diesem Abend wird Schmicks Ende besiegelt.

Die Initiative nimmt bald die Arbeit auf. Sie ist hochkarätig besetzt. Sie recherchiert gegen Schmick in alle Richtungen. Die organisierten Schülereltern von Steglitz sind Juristen, Ärzte, Architekten, Ministersprecher, Fernsehstars. Sie sammeln Material für eine Dienstaufsichtsbeschwerde, die der Schulbehörde, punktgenau adressiert an das Referat LSA ZS E, am 27. November 2000 zugeht.

Unter dem Antrag, gegliedert in 5 Punkte, 13 Unterpunkte, zusätzlich versehen mit 4 Anlagen, stehen 22 "Beschwerdeführer". 8 von ihnen haben einen Doktortitel. Auch der berühmte Name des Architekten Max Dudler ist dabei und der noch berühmtere Name des Fernsehmoderators Günther Jauch.

Jauch hat damals eine Tochter auf dem Steglitzer Gymnasium, sie hat keinen Unterricht bei Schmick, aber dem Fernsehstar liegt grundsätzlich daran, dass "solche Leute" wie Schmick nicht auf Schüler losgelassen werden. "Die Vorwürfe", sagt Jauch heute, "schienen mir gut recherchiert, also konnte ich das unterstützen." Mit Schmicks Suspendierung sei für ihn die Luft raus gewesen. Er habe in der Sache mittlerweile den Faden verloren. Gewiss, sein Name werde in dem Zusammenhang immer noch fallen gelassen. "Aber das ist nur noch Namedropping."

Jauchs Name katapultiert Schmick von Beginn an regelmäßig in die "Bild"-Zeitung, in die Berliner Boulevard-Zeitungen, überhaupt: in die Medien. Häufig heißt es fortan in den Artikeln, als wäre es ein Gütesiegel, "auch TV-Moderator Günther Jauch gehört zu den Mitunterzeichnern", "auch TV-Unterhalter Jauch protestiert". Jauchs Bild wird als Blickfang in die Artikel gestellt, Jauchs Name im Vorspann genannt. Das ist nicht gut für Schmick. Und es ist auch nicht gut für den Berliner Senat.

Der zuständige Schulsenator Klaus Böger gerät unter Druck. Wie kann er zulassen, dass ein Neonazi auch nur eine Minute länger Geschichte unterrichtet? Wenn schon Günther Jauch via "Bild"-Zeitung endlich Taten fordert? Wenn eine seriöse Elternitiative Druck macht? Wenn die Zeitungen dauernd voll davon sind?

Böger hat sich in der Sache weit aus dem Fenster gelehnt im Berliner Parlament. Hat die diversen Flugblätter gegen Schmick auf Anfrage eines PDS-Abgeordneten als Zeugnis der "Zivilcourage" begrüßt und weiter gesagt, die Schülerinnen und Schüler, die sich an solchen Aktionen beteiligten, seien "nicht zu behindern, sondern zu loben".

Intern bestellt er seine Leute zum Rapport. Will wissen, wieso die Sache Schmick nicht längst weiter sei? Böger drängt seinen Staatssekretär Thomas Härtel, der mit Schmick schon zu Steglitzer Stadtratszeiten Ärger hatte, zur Aktion. Und Härtel drängt Schulamtsleiter Pieper. Und Pieper drängt seinen Laden.

Es wird angelegt: der Vorgang 412 D 119/00, Disziplinarsache Schmick, Bearbeiter: Herr Eck. Es ist der 9. November 2000, 62. Jahrestag der Reichspogromnacht, Herr Eck kreuzt im vorgedruckten Betreffkasten die Code-Nummer 7 an: "Rechtsradikale Äußerungen".

Draußen demonstriert Berlin "für Menschlichkeit und Toleranz", an der Spitze Bundespräsident Rau, Bundestagspräsident Thierse. Auch sie kennen bald den Namen Schmick. Er steht in Briefen, die sie bekommen von der Elterninitiative aus Steglitz. Und die Spitzen des Staates danken der Initiative für ihr Engagement. Herzlich. Ungeprüft.

Zwei Dutzend Eltern treffen sich jetzt regelmäßig. Sie definieren genaue Rechercheaufgaben und teilen sie unter sich auf. Sie arbeiten wie eine Sonderkommission der Polizei.

Sie gehen in alle Richtungen, die etwas versprechen: Gewerkschaft GEW, Beamtenbund, Schülereltern, Lehrer. Sie fragen in der Antifa-Szene herum, in Historikerkreisen, sie drehen jeden Stein um. Dazu machen sie Lobby-Arbeit auf allen Ebenen: Bezirksversammlung, Abgeordnetenhaus, Bundestag; Vereine, Verbände, Kirchen. Sie besorgen sich die außerschulischen, wissenschaftlichen Schriften Schmicks, denn Schmick ist nicht nur Lehrer.

Er forscht auch. Eifrig, fieberhaft fast. Gemeinsam mit Kollegen hat er eine "Forschungsstelle für Militärgeschichte" gegründet, FMG, ihr Sitz ist sein eigenes Haus, ihr Direktor ist er selbst. Direktor Schmick. Er hat es nie geschluckt, den Doktor nicht gemacht zu haben. Er plant die Promotion noch immer, Aber auch ohne den Titel kann er Bücher schreiben, Schmick schreibt viel, er hält Vorträge, er verfasst wissenschaftliche Rezensionen für höchst renommierte Blätter.

Es geht über Korea-Krieg und Friedrichs Preußen, über Chinas Tibet-Politik und Stalingrad, über Afghanistan und Spaniens Bürgerkrieg, über alte Schlachten und noch ältere Münzen. Sein letztes größeres Thema ist die erste Wehrmachtsausstellung. Anfang 1999 erscheint eine gallige Untersuchung über deren Mängel, über ihre Fehlinterpretationen, Bildermärchen und falschen Beweise.

Schmick hält sich zugute, mit seiner Arbeit zur später wirklich erfolgten Schließung der Ausstellung beigetragen zu haben. Und er bereist die Wanderausstellung, zweimal. Einmal in Köln, einmal in Hamburg. Geht mit Besuchergruppen durch die Räume. Magister Schmick. Anwalt der Geschichte.

Vor den Schautafeln erklärt er seine Einwände. Aber er wird bald niedergeschrien von anderen Besuchern. Schmick schreit zurück, in Köln, in Hamburg, sie schreien so lange, bis die Polizei kommt. Schmick, der Kritiker, muss gehen. Er sagt, nicht er sei der Störer, sondern die anderen. Er sieht, auf den Bildern, sehr schlecht aus. Wie einer, der tief im Unrecht ist. Und es nicht merkt.

Die Elterninitiative ist begeistert, als sie in ihren Recherchen auf Köln und Hamburg stößt. Eckart Frantz, ein fülliger Badener, Vollbart, randlose Brille, Internist, Kardiologe, Chefarzt am Potsdamer St. Josefs-Krankenhaus und zugleich studierter Jurist, er führt die Gruppe an, er sagt, "es war ein Räuber-und-Gendarm-Spiel".

Schmick persönlich trifft er ein einziges Mal zehn Sekunden lang, am Schultor. Frantz hat Flugblätter in der Hand, gegen Schmick, und er sagt, als er Schmick ein Blatt gibt: "Herr Schmick, das ist der Anfang vom Ende."

"Die gesamte politische Korrektheit ist verlogen."

Der jüdische Schriftsteller und Journalisten Rafael Seligmann in
Die Welt, 30.10.2003, S. 27

Im Gespräch nennt sich Frantz jovial und mit Augenzwinkern einen "unverbesserlichen Scheißliberalen", er sagt, wie zur Begründung seines Tuns, "wenn Anfang der siebziger Jahre ein Lokführer den Namen Karl Marx kannte, war er seinen Job los". Schmick, meint Frantz, habe Übleres auf dem Kerbholz. Und dafür müsse er büßen.

Frantz fertigt ausführliche Analysen von Schmicks Wehrmachtsstudie an, er gleicht sie ab mit anderer historischer Forschung, er zerpflückt Schmicks Publikationen. Frantz sagt, Schmicks Werk lese sich wie ein historischer "Porno". Es gebe immer "die gewissen Stellen", die moralisch schmutzigen Passagen fürs extrem rechte Publikum. Frantz kommt, selbst kein Historiker, zu dem Schluss, Schmick sei ein pseudowissenschaftlicher Gernegroß.

Aber das ist Ansichtssache. Auch das Münchner Institut für Zeitgeschichte wird sich, spät im Verfahren, im September 2002, in Frantz' Sinne äußern. Schmick bekommt aber auch ganz andere Post.

Unaufgefordert dankt Arnulf Baring, deutscher Vorzeigehistoriker, dem Kollegen Schmick herzlich für dessen Wehrmachtsstudie. "Mit Ihrer Schrift über die seltsame Wehrmachtsausstellung haben Sie mir eine große Freude gemacht", schreibt Baring in einem Brief, weil er "jeden Versuch begrüße, die historischen Perspektiven gerade zu rücken, zumal Geschichtsklitterungen den Weg zu verlegen".

Schmick, so scheint es, liegt nicht einfach nur daneben. Vielmehr findet er offenkundig, wie ein Schlafwandler, immer genau die wunden Stellen seiner Gegner. Die schmerzhaften Druckpunkte seiner Generation. Er verwirrt nicht so sehr seine Schüler. Er attackiert vielmehr deren Eltern. Schmick rechnet, selbst ein rechter 68er, mit den linken 68ern ab. Er polarisiert.

Er stachelt die Elterninitiative zu Höchstleistung an. Frantz gibt seine Freizeit hin, er feilt an einer geharnischten Dienstaufsichtsbeschwerde, die er bis heute gern zitiert. Er sagt, um Schmick zu charakterisieren, dieser bediene sich einer unseligen "Dienstsprache", und das sage doch schon viel. Aber in seine eigene Dienstaufsichtsbeschwerde schreibt Frantz selbst Sätze wie: "Sicherheit für die Schüler besteht nach Ansicht der Beschwerdeführer nur, wenn der Beamte vollständig aus dem Schuldienst entfernt wird," Das klingt auch unselig. Es klingt auch nach Dienst.

Über das Jagdfieber der Initiative gibt es auch interne Diskussionen. Einige Eltern äußern die Furcht, Schmick könnte sich so in die Enge getrieben fühlen, "dass er sich am Ende aufhängt". Aber, sagt Frantz, er will gemütlich wirken, sie hätten sich dann doch immer zum Weitermachen entschieden. Und schließlich, sagt er, "wenn es denn so gekommen wäre, verdammt noch mal, dann hätte er eben hängen müssen".

Vom Dezember 2000 aus betrachtet, ist fast der ganze Rest des Falls bis heute im Grunde nur noch Epilog. Am 17. Mai 2001 wird das Disziplinarverfahren eingeleitet, lärmend begleitet von der Presse, die Schmick nun unverhohlen als Nazi tituliert. Die Vorwürfe des Amtes gegen ihn sind in 11 Punkte, 37 Unterpunkte und weitere Unterunterpunkte gegliedert.

"Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus" (durch Vergleiche mit Stalin und Pol Pot), "herabwürdigende Äußerungen gegenüber Schülern" (zum Beispiel als "Korea-Import"), nicht angezeigte "Nebentätigkeiten" (bei der Forschungsstelle für Militärgeschichte), "unangemessenes Auftreten in der Öffentlichkeit" (zum Beispiel bei der Wehrmachtsausstellung).

Die Beweisaufnahme im Verfahren beginnt am 7. November 2001 mit der Vernehmung Schmicks. Seither läuft sie. Vier Volljuristen bearbeiten den Fall in der Berliner Schulverwaltung.

Zwei Dutzend Zeugen sind mittlerweile befragt, größtenteils mehrfach, es ist von 300 Stunden Zeugenvernehmungen die Rede. Schmick sagt, er gehe notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof. "Dort sehen wir uns dann in 15 Jahren wieder."

Die Berliner Untersuchung tritt von Beginn an auf der Stelle. Die Sitzungen im Landesschulamt, Beuthstraße, Raum 7049, immer unter dem Vorsitz der Untersuchungsführerin Lampe und des Hilfsuntersuchungsführers Hochholzner, immer mit Schmick und dessen Anwalt Torsten Hippe auf der anderen Seite, dazwischen die Zeugen, sie verlaufen ergebnislos.

Egal an welche Stelle der Akte man blättert: Es findet sich nichts Handfestes, geschweige denn "Gerichtsfestes" gegen Schmick. Die befragten Schüler können sich nur ungenau erinnern, verzetteln sich oder hatten nie Unterricht bei Schmick.

Sie erzählen, dass Schmick "zwei Schäferhunde" zu Hause habe, dass er eine schwarze Aktentasche mit Aufkleber "Ein Herz für Kinder" habe, solche Sachen, dass er manchmal in Sütterlin an die Tafel schreibe, dass es bei ihm chaotisch zugehe, dass er kein sonderlich guter Lehrer sei. Es ist, aus Sicht der Ermittler, alles Müll.

Die als Zeugen vernommenen Eltern berichten über Gerüchte vom Hörensagen, widersprechen sich selbst und gegenseitig oder mutmaßen sich durchs Verfahren. Auch die befragten Vorgesetzten, Schulleiter Gey, Oberschulrätin Gottfried, haben dies und jenes gehört, schildern Eindrücke aus Gesprächen, aber niemand liefert Beweise. Niemand bringt Schmick zu Fall, obwohl es so viele versuchen, immer wieder, Juristen, Politiker, Eltern, sie kriegen ihn nicht.

In dieses Elend hinein verfasst am 28. August 2002 die in den Sitzungen stets abwesende Ermittlungsführerin Gehring, Oberregierungsrätin, ein Dienstpapier "Vertraulich! Verschlossen!" das die leidige Sache im Sinne des Staates endlich und endgültig abkürzen soll.

Sie beschreibt Schmick als Psychopathen, als Geisteskranken, und sie bittet die im Schulamt zuständige Stelle LSA IV D 06, "eine amtsärztliche Untersuchung beim sozialpsychiatrischen Dienst zu veranlassen". Das heißt im Klartext: Schmick soll für verrückt erklärt werden.

Am 13. September 2002 bekommt er, der Marathonläufer, 5 Stunden 21 Minuten beim letzten Berlin-Lauf, die Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen. Von Sozialpsychiatrie in der Einladung kein Wort. Schmick geht nicht hin. Er recherchiert. Er legt Widerspruch ein. Dem Widerspruch wird, in einem Verwaltungsgerichtsurteil gegen das Landesschulamt, stattgegeben.

Im September 2002 entscheidet das Berliner Kammergericht, der "Berliner Kurier", der Schmick in einem Artikel die Auschwitz-Leugnung und Verharmlosung von Nazi-Verbrechen angedichtet hatte, müsse diese Aussage öffentlich widerrufen und dem Lehrer 6000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Die Behauptungen des "Kurier seien falsch und unhaltbar.

Schmicks Disziplinarverfahren läuft dessen ungeachtet immer weiter. Es wirkt mittlerweile wie eine Pflichtaufgabe des laufenden Betriebs, als hätte es die Abteilung Schmick im Schulamt immer schon gegeben. Schmick geht zu den Terminen unterdessen fast wie zum Dienst. Und manchmal scherzen die Beteiligten miteinander wie alte Kollegen. Es ist eine Tragikomödie inzwischen, auf 2000 Seiten, ein gewaltiges Dokument, eine unendliche deutsche Geschichte. <Ende SPIEGEL>