Zeitgeschichte 2005

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Noch Anfang 2005 erwies der BRD-Parlamentspräsident dem  größten Massenmörder aller Zeiten seine Reverenz

Es sind die Verehrer des Weltmörders Nummer eins, die
Holocaust-Kritiker für Jahre hinter Gitter bringen wollen

Jene, die dem größten Massenmörder aller Zeiten huldigen oder ihm gehuldigt haben, sind es, die selbst 90-jährige in die Kerker werfen lassen, wenn diese über Adolf Hitler Dinge wissen, die nicht gesagt werden dürfen. Von diese Typen, die eine Bestie preisen, die 70 Millionen Menschen seines eigenen Volkes ausrotten ließ, braucht sich kein Deutscher über Adolf Hitler belehren zu lassen. Während es unter System-Politikern zum guten Ton gehört, die Massenmorde Maos zu leugnen bzw. zu verherrlichen, werden anständige Menschen für viele Jahr in die Kerker geworfen (in Österreich sogar 20 Jahre), nur weil sie an den "sechs-Millionen" Zweifel hegen.

Die Welt, 22.10.2005, Seite 10

"Halb China muß sterben"

Rund 70 Millionen Tote sind es, die Mao zu verantworten hat. Mao: "es kann gut sein, daß halb China sterben muß".

Mao Tse-tung war wohl der größte Massenmörder aller Zeiten. Dennoch gehörte der Diktator zu Lebzeiten zu den Ikonen der Jugendbewegung, huldigten ihm die Politiker der Welt

von Ulli Kulke

Ein Papiertiger war Richard Nixon wohl nicht. Doch am frühen Nachmittag des 21. Februar 1972 in Peking dürfte sich der chinesische Führer Mao Tse-tung bestätigt gefühlt haben in dieser Titulierung des obersten "US-Imperialisten".

Nixon auf Staatsbesuch in Peking: Nach langem Flug aus den USA war er gerade im Gästehaus am alten kaiserlichen Fischteich angekommen, wollte unter die Dusche gehen. Da erschien unerwartet ein Bote: Ministerpräsident Chou En-lai. Mao lasse grüßen, und Nixon solle sofort kommen, auf der Stelle. Nixons Begleiter, Henry Kissinger, sagte später, Chou sei "ein wenig ungeduldig" gewesen. Der US-Präsident machte sich unerfrischt auf die Socken, zur Audienz beim großen Vorsitzenden. Es wurde eines der denkwürdigsten Gespräche eines US-Präsidenten im Ausland.

Die Begegnung - die einzige während Nixons Besuch - fand in Maos Krankenzimmer statt. Der 78jährige Parteichef hatte neun Tage vorher eine Herzattacke erlitten. Bett und medizinische Gerätschaft waren notdürftig hinter einem Wandschirm versteckt.

Es sind nicht nur die äußeren Umstände dieses Staatsbesuches, mit deren Schilderung Jung Chang und Jon Halliday in ihrer gerade erschienenen Biographie ("Mao. Das Leben eines Mannes, das Schicksal eines Volkes") die Leser zum Staunen bringen. Das detailreiche Buch, das den jahrzehntelang in der Dritten Welt und von der westlichen Linken als Held gefeierten Staatslenker wohldokumentiert als größten Massenmörder der Weltgeschichte überführt, zeigt auch, wie demütigend sich Nixon und Kissinger politisch abfertigen ließen. Mao Tse-tung war auf dem Höhepunkt seiner Macht, im Lande selbst wie international.

Er und Chou wechselten sich während der Unterredung mit ihren Vorwürfen gegen die US-Politik ab, Nixon aber lobte Mao als großen Philosophen, der die Welt beeindrucke. Alles nur übersetzt von Maos Dolmetscher, die Gegenwart von Nixons eigenem hatte sich der Parteichef verbeten.

Mao bot keine Kompromisse. Nixon aber sagte unter anderem zu: den US-Verbündeten Taiwan fallen zu lassen, Peking anzuerkennen und dafür zu sorgen, daß Rotchina in die UN und gleich in den Sicherheitsrat käme, außerdem wolle man die US-Truppen aus Südvietnam und auch Südkorea abziehen. Brisantes Geheimdienstmaterial über die Sowjetunion und ihre Truppen, Maos Hauptfeind, hatte Washington schon vor dem Besuch freimütig an Peking abgeschickt.

Nixon wollte China, koste es was es wolle, als Gegengewicht zu Moskau aufbauen. Und so waren das kommunistische China und Mao viereinhalb Jahre vor dessen Tod endgültig in der Weltpolitik etabliert, aufgewertet, akzeptiert. Etwa so wie Hitler nach dem Besuch des britischen Premiers Chamberlain auf dem Obersalzberg, dem Meilenstein der Appeasementpolitik?

Womöglich. Einen entscheidenden Unterschied zwischen beiden historischen Meilensteinen gibt es schon, einen, der den westlichen Diplomaten und Politikern später wachsende Gewissensplagen erspart haben mag, der aber ihr Vorgehen - aus heutiger Sicht - eher noch fragwürdiger machte. Sie wußten genau, mit wem sie sprachen. Hitler hatte 1938 seine barbarischsten Akte noch vor sich, Mao dagegen die allermeisten seiner vielen Millionen Todesopfer schon auf dem Gewissen, als ihn Nixon und Kissinger 1972 im Westen salonfähig machten.

Es war dies auch die Zeit, da in Europa, insbesondere in Westdeutschland, eine kleine, aber um so lautere Bewegung ihren Mao-Kult pflegte. Nach der Auflösung des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) wandelte sich die "Außerparlamentarische Opposition" (Apo), sprossen nun gleich mehrere maoistische Gruppierungen mit Studenten- und Jugendablegern aus dem Boden. Mit einer Sprüchesammlung in der Hand, der kleinen roten Mao-Bibel ("Worte des Vorsitzenden Mao Tse-tung", geschätzte Gesamtauflage: eine Milliarde) wetteiferten sie alle um die reinste Lehre - und bekämpften sich dabei mit Vorliebe gegenseitig.

"Mitglieder einer Delegation des Deutschen Bundestags unter Prä-sident Wolfgang Thierse (Bild) besuchten noch im Frühjahr das Mausoleum und erwiesen dem Diktator damit ihre Reverenz. ..." (Der Spiegel, 40/2005, S. 131)

Dabei war Mao eine Ikone nicht nur für die harten Kämpfer der vordersten Front, unter ihnen spätere Top-Politiker wie Ulla Schmidt, Antje Vollmer, Jens Scheer oder Jürgen Trittin. Er galt weit über die engen Zirkel hinaus - bis hin zum Bundesliga-Fußballer Paul Breitner - als Sympathieträger, mit Kult-Bonus in der Größenordnung von Che Guevara, Nelson Mandela oder Angela Davis, obwohl da nichts zusammen paßte. Doch allein schon seine theoretische und praktische Begründung des Guerillakrieges machte ihn zur Ikone und seine Lehrsätze zur Leitkultur für die meisten Drittwelt-Kämpfer. Gewiß, es gab Hinweise auf Leichen, die seinen Weg nach oben pflasterten. Aber war nicht alles durch seine Theorien, durch Dialektik, durch die Lehre des Widerspruchs erklärbar, irgendwie? Man verbrämte, man sah weg. "Wir hätten es wissen müssen, aus der amerikanischen Literatur", sagt heute der Journalist Christian Semler, einer der damaligen Wortführer, der auch mal nach China eingeladen wurde. Wissen müssen um die Wahrheit, um das Menschenverachtende an Maos Aufstieg.

"Der große Sprung nach vorn" war eine der vielen Dutzend Losungen, die Mao ausgegeben hatte, und über die man in West-Berliner, Frankfurter oder Heidelberger Zirkeln so trefflich ventilieren konnte, während sie in China zig Millionen Tote forderten.

Der Sprung sollte China Ende der fünfziger Jahre binnen weniger Jahre zum führenden Industrieland erheben, Großbritannien und später die USA überholen lassen, eigene Atombomben und Langstreckenraketen hervorbringen. Maos Strategie: Die Ernteerträge auf dem Land werden zu mehr als der Hälfte einkassiert und ins Ausland verkauft, um den Aufbau der Schwerindustrie zu finanzieren. Ergebnis: 30 Millionen Menschen verhungern allein während des "Großen Sprungs". Mao beschwichtigt seine Parteifreunde mit dem Hinweis, "die Toten sind nützlich, sie düngen den Boden".

Die Häuser der Landbevölkerung wurden eingerissen, um aus Holz und Strohdächern Brennstoff für die Hochöfen zu gewinnen. Geräte für Haus und Hof, Wasserkarren, Kochtöpfe, eiserne Türgriffe, Haarspangen der Frauen - die Chargen konfiszierten alles, um es einschmelzen zu lassen zur Stahlgewinnung. Hunderttausende erfroren. Und Mao sagte, "es kann gut sein, daß halb China sterben muß".

Intellektuelle in Europa und Asien fanden warme Worte für den großen Vorsitzenden, Jean-Paul Sartre lobte Mao und seine tief moralische revolutionäre Gewalt. Mao stand für sie alle für den aufrichtigen Weg zum Kommunismus, war der Gegenpol zu Stalin und seinen Nachfolgern, deren Politik in Europa denn doch zu nah zu spüren war. Bis hin zu liberalen Kreisen: Die "Frankfurter Rundschau" titelte noch 1976 - nach Maos Tod: "Mao Tse-tung gehört zu den Großen dieses Jahrhunderts".

Als der "große Sprung nach vorn" gescheitert war, hatte die Vernunft nur eine sehr kurze Chance. Chinas Präsident Liu Shao-chi konnte auf einer Parteikonferenz 1962 Mao durch Tricks zwingen, die tödliche Strategie abzumildern, so daß das Land sich sogar etwas erholte. Doch schon 1965 hatte Mao alle Fäden erneut in der Hand und startete die nächste Etappe, zurück in die Apokalypse: Kulturrevolution.

Mit der Phrase von der Kritik und der Selbstkritik mobilisierte er einen landesweiten fanatischen Mob Jugendlicher, die "Roten Garden", ging gegen alle Intellektuellen und alles Intellektuelle vor, lies massenhaft Bücher verbrennen (und die kostbaren in sein Eigentum überführen), lies die Lehrer von ihren Schülern zum Teufel jagen, und jeden Kulturschaffenden, dessen er habhaft werden konnte, schickte er aufs Land. Selbst Millionen unliebsamer Parteifunktionäre wanderten in Arbeitslager. Für die Jugend jahrelang keine Schule, keine Universitäten - die finstersten Zeiten von Taliban und Pol Pot, derer die Menschheit zu Recht mit Abscheu gedenkt, hatten unter Mao Tse-tung ihre Vorläufer mit weit umfassenderen Schrecknissen.

Auch wenn dies niemand wahr haben wollte. Hunger zog wieder übers Land, Elend und Not, letztlich bis zu Maos Tod 1976, im Alter von 82 Jahren.

Ein politisches Leben war da zu Ende, das seit den Dreißigern nur von einem Ziel geprägt war: die eigene Macht. Im Kampf gegen die Japaner richtete er seine ganze Strategie und seine Heerscharen weniger gegen die Invasoren im Land, als gegen seine Landsleute wie Chiang Kai-checks Kuomintang, ja auch gegen andere Verbände der Kommunisten, um seinen ureigenen späteren Aufstieg sicherzustellen. Nach Ausrufung der Volksrepublik 1949 schließlich sicherte er seine Stellung durch große Säuberungen, rücksichtslose Liquidierungen auch nur eventueller Gegner.

Rund 70 Millionen Tote sind es, die Mao zu verantworten hat.

Auschwitz und die Mao-Verehrer