Politik 2004

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Blair und Bush sind Kriegsverbrecher gemäß
Rechtsgutachten britischer Regierungsberater

Für Kanzler Schröder sind diese Leute jedoch gute "Freunde"

Die Welt, 01.03.2004, Seite 7

Wirbel um Gutachten setzt Blair unter Druck
Rechtsberater des britischen Premiers soll Legalität des Irak-Kriegs bezweifelt haben

von Thomas Kielinger

Kriegsverbrecher Blair?

Warum folgte Tony Blair, der britische Premier-minister, dem Kriegstreiber Bush auf Gedeih und Verderb in den Irak-Krieg? Warum machte er bei diesem Massentöten mit, obwohl seine Rechtsbe-rater zum dem Schluß gelangten, es handele sich um ein Kriegsverbrechen? Eine Website behaup-tet, Blair sei in pädophilen Ringe verstrickt. Wurde er damit erpresst?

www.propagandamatrix.com/blair_protection.html

London - Kurz war der Krieg im Irak. Mit dem politischen Nachspiel verhält es sich umgekehrt: Es verspricht sich ins Unendliche zu dehnen. Zumal für Tony Blair, der wegen des Irak-Krieges in immer größere Bedrängnis gerät. Dazu trugen vor wenigen Tagen zwei Enthüllungen bei, die sich am Wochenende wie ein böses Omen konkretisiert haben und neue Schatten werfen über die Vorgeschichte der Irak-Intervention sowie Blairs Verantwortung für die britische Teilnahme daran.
Neue Erkenntnisse, über die Rechtsanwälte der Geheimdienstmitarbeiterin Katherine Gunn an die Öffentlichkeit gelangt, besagen, dass der Rechtsberater der britischen Regierung Lord Goldsmith bis kurz vor dem Einmarsch im Irak sich sehr ambivalent äußerte, was die Legalität des Krieges anging. Jedenfalls fiel sein Gutachten von Anfang März in der juristischen Konklusion so vieldeutig aus, dass sich die Generalität unter Leitung von Admiral Sir Michael Boyce weigerte, den Befehl zu erteilen, in den Krieg zu gehen.
Die Vorsicht der Militärs angesichts einer solchen juristischen Expertise war nur zu verständlich. Großbritannien hatte sich im Jahr 2000 enthusiastisch zur Gründung des neuen Internationalen Strafgerichtshofs bekannt und war als einer der ersten Signatarstaaten beigetreten. Ohne rechtliche Basis für eine Intervention im Irak musste die Generalität befürchten, dass britische Soldaten dem Vorwurf der Völkerrechtsverletzung ausgesetzt werden könnten.
Das ursprünglich bezweifelnde Urteil des Rechtsberaters der Regierung, Lord Goldsmith, wurde vom überwiegenden Teil der juristischen Experten auch in anderen Ministerien geteilt, vor allem im Foreign Office. Außenminister Jack Straws führende Rechtsberaterin Elizabeth Wilmshurst trat denn auch prompt zurück, als Blair die Entscheidung zum Einmarsch in den Irak fällte. Er tat es, weil Lord Goldsmith nur wenige Tage vor Kriegsbeginn Mitte März sich zu der Überzeugung durchgerungen hatte, dass ein Krieg auch ohne eine erneute UN-Resolution legal sei, weil gedeckt durch die Vorgeschichte aller Irak-Resolutionen seit 1990, vor allem Nr. 678 vom 20. November 1990, Nr. 687 vom 3. April 1991 und der Nr. 1441 vom 8. November 2002. Der Gesamttext dieser Expertise wurde nie veröffentlicht, seine Stoßrichtung nur bekannt in einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage im Parlament vom 17. März 2003, drei Tage vor Beginn der Aktion am Golf.
Wurde der Oberste Rechtsberater von der Regierung gedrängt, die Legalität des Krieges eindeutiger als zuvor festzustellen, damit das Militär in Marsch gesetzt werden konnte? Die Anwälte Katherine Gunns, die alle Versionen seiner Gutachten einzusehen wünschten, suggerierten dies in ihrem Begehren an die Downing Street. Das Verfahren gegen ihre Mandantin Katherine Gunn war aber vor einer Woche niedergeschlagen worden, wohl weil die Regierung Aufdeckung weiterer Geheimnisse befürchten musste. Ms Gunn, Angestellte in der britischen Abhörzentrale GCHQ (Government Communications Headquarters) in Cheltenham, hatte Kenntnis erhalten von amerikanischen Wünschen an den britischen Geheimdienst, bei der Abhörung von UN-Büros der sechs Rotationsländer im Sicherheitsrat mitzuhelfen, die für den Gewinn einer zweiten UN-Resolution wichtig sein würden: Chile, Pakistan, Guinea, Angola, Kamerun, Bulgarien. Die entsprechende E-Mail der amerikanischen National Security Agency (NSA) in Baltimore war über sie an den "Observer" gelangt und von dieser Zeitung genau vor einem Jahr veröffentlicht worden.
Jetzt schwillt der Chor der Stimmen an, die Blair drängen, den Gesamttext von Lord Goldsmiths Irak-Gutachten publik zu machen. Blair weigert sich.