Wirbel um Gutachten setzt Blair unter Druck
Rechtsberater des britischen Premiers soll Legalität des Irak-Kriegs
bezweifelt haben
von Thomas Kielinger
Kriegsverbrecher Blair? |
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Warum folgte Tony Blair, der britische Premier-minister, dem
Kriegstreiber Bush auf Gedeih und Verderb in den Irak-Krieg? Warum
machte er bei diesem Massentöten mit, obwohl seine Rechtsbe-rater
zum dem Schluß gelangten, es handele sich um ein Kriegsverbrechen?
Eine Website behaup-tet, Blair sei in pädophilen Ringe verstrickt.
Wurde er damit erpresst? |
www.propagandamatrix.com/blair_protection.html |
London - Kurz war der Krieg im Irak. Mit dem politischen Nachspiel verhält
es sich umgekehrt: Es verspricht sich ins Unendliche zu dehnen. Zumal für
Tony Blair, der wegen des Irak-Krieges in immer größere Bedrängnis gerät.
Dazu trugen vor wenigen Tagen zwei Enthüllungen bei, die sich am
Wochenende wie ein böses Omen konkretisiert haben und neue Schatten werfen
über die Vorgeschichte der Irak-Intervention sowie Blairs Verantwortung
für die britische Teilnahme daran.
Neue Erkenntnisse, über die Rechtsanwälte der Geheimdienstmitarbeiterin
Katherine Gunn an die Öffentlichkeit gelangt, besagen, dass der
Rechtsberater der britischen Regierung Lord Goldsmith bis kurz vor dem
Einmarsch im Irak sich sehr ambivalent äußerte, was die Legalität des
Krieges anging. Jedenfalls fiel sein Gutachten von Anfang März in der
juristischen Konklusion so vieldeutig aus, dass sich die Generalität
unter Leitung von Admiral Sir Michael Boyce weigerte, den Befehl zu
erteilen, in den Krieg zu gehen.
Die Vorsicht der Militärs angesichts einer solchen juristischen
Expertise war nur zu verständlich. Großbritannien hatte sich im Jahr 2000
enthusiastisch zur Gründung des neuen Internationalen Strafgerichtshofs
bekannt und war als einer der ersten Signatarstaaten beigetreten. Ohne
rechtliche Basis für eine Intervention im Irak musste die Generalität
befürchten, dass britische Soldaten dem Vorwurf der Völkerrechtsverletzung
ausgesetzt werden könnten.
Das ursprünglich bezweifelnde Urteil des Rechtsberaters der Regierung,
Lord Goldsmith, wurde vom überwiegenden Teil der juristischen Experten
auch in anderen Ministerien geteilt, vor allem im Foreign Office.
Außenminister Jack Straws führende Rechtsberaterin Elizabeth Wilmshurst
trat denn auch prompt zurück, als Blair die Entscheidung zum Einmarsch in
den Irak fällte. Er tat es, weil Lord Goldsmith nur wenige Tage vor
Kriegsbeginn Mitte März sich zu der Überzeugung durchgerungen hatte, dass
ein Krieg auch ohne eine erneute UN-Resolution legal sei, weil gedeckt
durch die Vorgeschichte aller Irak-Resolutionen seit 1990, vor allem Nr.
678 vom 20. November 1990, Nr. 687 vom 3. April 1991 und der Nr. 1441 vom
8. November 2002. Der Gesamttext dieser Expertise wurde nie
veröffentlicht, seine Stoßrichtung nur bekannt in einer Antwort auf eine
schriftliche Anfrage im Parlament vom 17. März 2003, drei Tage vor Beginn
der Aktion am Golf.
Wurde der Oberste Rechtsberater von der Regierung gedrängt, die
Legalität des Krieges eindeutiger als zuvor festzustellen, damit das
Militär in Marsch gesetzt werden konnte? Die Anwälte Katherine
Gunns, die alle Versionen seiner Gutachten einzusehen wünschten,
suggerierten dies in ihrem Begehren an die Downing Street. Das
Verfahren gegen ihre Mandantin Katherine Gunn war aber vor einer Woche
niedergeschlagen worden, wohl weil die Regierung Aufdeckung weiterer
Geheimnisse befürchten musste. Ms Gunn, Angestellte in der britischen
Abhörzentrale GCHQ (Government Communications Headquarters) in Cheltenham,
hatte Kenntnis erhalten von amerikanischen Wünschen an den britischen
Geheimdienst, bei der Abhörung von UN-Büros der sechs Rotationsländer im
Sicherheitsrat mitzuhelfen, die für den Gewinn einer zweiten UN-Resolution
wichtig sein würden: Chile, Pakistan, Guinea, Angola, Kamerun, Bulgarien.
Die entsprechende E-Mail der amerikanischen National Security Agency (NSA)
in Baltimore war über sie an den "Observer" gelangt und von dieser Zeitung
genau vor einem Jahr veröffentlicht worden.
Jetzt schwillt der Chor der Stimmen an, die Blair drängen, den Gesamttext
von Lord Goldsmiths Irak-Gutachten publik zu machen.
Blair weigert sich.
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