Politik 2004

NJ Logo  
site search by freefind erweiterte Suche

Trotz Verteufelung: Hitler wird immer beliebter

"Der Deutsche Hitler ist nicht nur der bekannteste Europäer, sondern neben den Religionsstiftern Mohammed, Jesus, Buddha eine der bekanntesten Figuren aller Zeiten überhaupt."

"Weltwoche" Nr. 29/04 (Schweiz):
http://www.weltwoche.ch/artikel/?AssetID=8215&CategoryID=60 (Original-Link) -
Neuer LINK: https://weltwoche.ch/story/hi-hitler

Hi, Hitler

Von Eugen Sorg

 

Die Verteufelungs-Rituale gegen Adolf Hitler prallen außerhalb Deutschlands und Europas bei den Menschen ab. Aber auch in Deutschland wird Adolf Hitlers Geist immer mächtiger und immer mehr Menschen glauben den strafrechtlich erzwungenen Verteufelungen nicht mehr. Dazu schreibt die BZ am 27.4.2004 so treffend: "Das per Strafgesetz-buch dekredierte Geschichts-bild sagt nichts über die historische Wahrheit, aber al-les über die BRD aus."

Sechzig Jahre nach seinem Tod ist der Massenvernichter populärer denn je.

In Indien steht er für Widerstand,

in Ägypten für Wohlstand,

in Peru für Disziplin.

Senegalesen feiern ihn als Helden des Antikolonialismus, Hongkong-Chinesen als Stilikone.

Vermutlich ist Hitler der einzige Europäer, der auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod noch rund um die Welt ein Begriff ist. Andere zeitgenössische Politiker wie Churchill oder de Gaulle kennt man noch innerhalb ihres jeweiligen Sprach- und Kulturraumes; dasselbe gilt für verstorbene Geistesheroen wie Goethe, Kant, Cervantes, Shakespeare. Aber allein der Massenmörder Hitler gehört beispielsweise in Korea, Japan, Namibia oder Uruguay auch ausserhalb der winzigen universitären Bildungsinseln zum Figurenkabinett des populären Wissens.
Der Deutsche Hitler ist nicht nur der bekannteste Europäer, sondern neben den Religionsstiftern Mohammed, Jesus, Buddha oder den Schlächtern Dschingis Khan oder Stalin vielleicht eine der bekanntesten Figuren aller Zeiten überhaupt.
Dies ergaben journalistische Stichproben von fünf Weltwoche-Mitarbeitern in den südlichen Regionen der Welt. Für die Europäer, die ihren Kontinent gerne als Wiege der Aufklärung und des Humanismus sehen, ein etwas beschämender Befund. Und ein verwirrender, wenn nicht gar schockierender. Denn Hitler wird von Millionen von Nichteuropäern positiv bewertet. Hört man allerdings genauer hin, klingt die Beunruhigung wieder leicht ab. Meist wird nicht der historische Hitler, nicht der Politiker des Hasses und der Auslöschung gelobt oder gar herbeigewünscht, sondern eine Fantasiegestalt mit wenig wirklichen Eigenschaften. Hitler funktioniert als eine Art Rorschachtest (*), in den jede Kultur ihre spezifischen Erfahrungen, Vorlieben und Probleme projiziert.
In den korrupten und chaotischen Ökonomien Südamerikas wird Hitler unter anderem als Chiffre für Ordnung und nationale Einheit gelesen. Afrikaner wiederum bewundern in ihm den starken Mann, den Mythos der Macht, aber auch den Feind der ehemaligen Kolonialisten Frankreich und England. Auch in Indien, aus dessen Geschichte Hitler die Ideen mit den Ariern und dem Hakenkreuz übernommen hat, wobei der Subkontinent selber keine antisemitische Tradition kennt, wird Hitler als Helfer im nationalen Befreiungskampf gegen die britische Krone verklärt. In Ostasien andererseits ist Hitler höchstens präsent als ästhetisches Zitat in Modekollektionen, Werbung oder Erlebnisgastronomie abgekoppelt von Nazipolitik und Zweitem Weltkrieg.
Die Entwarnung gilt jedoch nicht für das arabische und iranische Kerngebiet des Islam. Nicht nur feiert Hitler im Nahen Osten eine Renaissance. Auch das gängige Hitler-Bild kommt dem geschichtlichen am nächsten. Der Unterschied zu den westlichen Auffassungen von Hitler zeigt sich weniger in den historischen Fakten als in der Bewertung derselben. Was im Westen als abscheulichste Tat Hitlers verurteilt wird: die versuchte Ausrottung der Juden, wird dort von vielen als verdienstvolle Politik bewertet. Einziger Vorwurf: Hitler hat die Arbeit nicht ganz zu Ende gebracht.

* Der Rorschachtest wird von Psychoanalytikern und Psychiatern angewendet mit dem Ziel, die gesamte Persönlichkeit des Probanden zu erfassen. Der Test wird benannt nach seinem schweizer Erfinder Hermann Rorschach (1884-1922)

"Die ungebrochene Faszination des Phänomens Hitler"