Hi, Hitler
Von Eugen Sorg
|
|
Die
Verteufelungs-Rituale gegen Adolf Hitler prallen außerhalb
Deutschlands und Europas bei den Menschen ab. Aber auch in
Deutschland wird Adolf Hitlers Geist immer mächtiger und immer mehr
Menschen glauben den strafrechtlich erzwungenen Verteufelungen nicht
mehr. Dazu schreibt die BZ am 27.4.2004 so treffend: "Das
per Strafgesetz-buch dekredierte Geschichts-bild sagt
nichts über die historische Wahrheit, aber al-les über die BRD aus."
|
|
Sechzig Jahre nach seinem Tod ist der Massenvernichter populärer denn
je.
In Indien steht er für Widerstand,
in Ägypten für Wohlstand,
in Peru für Disziplin.
Senegalesen feiern ihn als Helden des Antikolonialismus,
Hongkong-Chinesen als Stilikone.
Vermutlich ist Hitler der einzige Europäer, der auch mehr als ein
halbes Jahrhundert nach seinem Tod noch rund um die Welt ein Begriff ist.
Andere zeitgenössische Politiker wie Churchill oder de Gaulle kennt man
noch innerhalb ihres jeweiligen Sprach- und Kulturraumes; dasselbe gilt
für verstorbene Geistesheroen wie Goethe, Kant, Cervantes, Shakespeare.
Aber allein der Massenmörder Hitler gehört beispielsweise in Korea, Japan,
Namibia oder Uruguay auch ausserhalb der winzigen universitären
Bildungsinseln zum Figurenkabinett des populären Wissens.
Der Deutsche Hitler ist nicht nur der bekannteste Europäer, sondern neben
den Religionsstiftern Mohammed, Jesus, Buddha oder den Schlächtern
Dschingis Khan oder Stalin vielleicht eine der bekanntesten Figuren aller
Zeiten überhaupt.
Dies ergaben journalistische Stichproben von fünf Weltwoche-Mitarbeitern
in den südlichen Regionen der Welt. Für die Europäer, die ihren Kontinent
gerne als Wiege der Aufklärung und des Humanismus sehen, ein etwas
beschämender Befund. Und ein verwirrender, wenn nicht gar schockierender.
Denn Hitler wird von Millionen von Nichteuropäern positiv bewertet. Hört
man allerdings genauer hin, klingt die Beunruhigung wieder leicht ab.
Meist wird nicht der historische Hitler, nicht der Politiker des Hasses
und der Auslöschung gelobt oder gar herbeigewünscht, sondern eine
Fantasiegestalt mit wenig wirklichen Eigenschaften. Hitler funktioniert
als eine Art Rorschachtest (*), in den jede Kultur ihre spezifischen
Erfahrungen, Vorlieben und Probleme projiziert.
In den korrupten und chaotischen Ökonomien Südamerikas wird Hitler
unter
anderem als Chiffre für Ordnung und nationale Einheit gelesen. Afrikaner
wiederum bewundern in ihm den starken Mann, den Mythos der Macht, aber
auch den Feind der ehemaligen Kolonialisten Frankreich und England. Auch
in Indien, aus dessen Geschichte Hitler die Ideen mit den Ariern und dem
Hakenkreuz übernommen hat, wobei der Subkontinent selber keine
antisemitische Tradition kennt, wird Hitler als Helfer im nationalen
Befreiungskampf gegen die britische Krone verklärt. In Ostasien
andererseits ist Hitler höchstens präsent als ästhetisches Zitat in
Modekollektionen, Werbung oder Erlebnisgastronomie abgekoppelt von
Nazipolitik und Zweitem Weltkrieg.
Die Entwarnung gilt jedoch nicht für das arabische und iranische
Kerngebiet des Islam. Nicht nur feiert Hitler im Nahen Osten eine
Renaissance. Auch das gängige Hitler-Bild kommt dem geschichtlichen am
nächsten. Der Unterschied zu den westlichen Auffassungen von Hitler zeigt
sich weniger in den historischen Fakten als in der Bewertung derselben.
Was im Westen als abscheulichste Tat Hitlers verurteilt wird: die
versuchte Ausrottung der Juden, wird dort von vielen als verdienstvolle
Politik bewertet. Einziger Vorwurf: Hitler hat die Arbeit nicht ganz zu
Ende gebracht. |