Multikultur 2003

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Schock der Kulturen - Judenhass in den Vorstädten*
"USA - Barbarenstaat, Judenstaat - Verbrecherstaat"

Der Fluch der bösen Tat: Die jüdischen Machtzentren und ihre europäischen Handlanger, die Europa die Elendszustände der Multikultur überstülpten, ernten jetzt, was sie sähten. Ausländer, die einen sogenannten Nazismus bzw. Antisemitismus regelrecht aus den Deutschen und weißen Europäern hinausbrüten sollten, verwandeln Europa in einen Kontinent, der selbst Adolf Hitler erblassen lassen würde.

Schock der Kulturen

Präsident Chiracs Anti-Kriegs-Kurs beflügelt ungewollt den Judenhass frustrierter, arabischstämmiger Jugendlicher. Die Spaltung der Gesellschaft vertieft sich.

"Hoch Chriac! Haltet die Juden" riefen die arabi-schen Massen in Paris auf den Demos gegen USraels Irak-Krieg. "Judenstaat - Verbrecherstaat", waren weitere Parolen. Die moslemischen Massen machen zum ersten Mal in der europäischen Geschichte den Juden ihre Vormachtstellung streitig. Mit einer unglaublich hohen Geburtenrate schaffen die moslemischen Massen demogra-phische Tatsachen. Das Judentum verliert seine Dominanz über die Europäer an die Moslems.

Es gibt Bekräftigungen seiner überragenden Popularität, auf die Frankreichs Präsident in diesen Tagen gern verzichten wurde. "Hoch Chirac! Haltet die Juden!", riefen arabische Jugendliche, die zu Tausenden auf den Pariser Straßen gegen den Krieg im Irak marschierten.

Massenhaft strömen die maghrebinischen Teenager aus ihren trostlosen Vorortsiedlungen ins Herz der Hauptstadt an der Place de la Concorde nahe der verbarrikadierten US-Botschaft, um ihre Wut hinauszuschreien. Doch was zunächst wie eine willkommene Verstärkung der Friedensbewegung aussah, schlagt zunehmend in unverhohlenen Haß auf Amerika und dessen Schützling Israel um.

Besorgt beobachtet die Regierung eine anschwellende Welle von Antisemitismus in den Trabantenstädten, wo die muslimischen Einwandererfamilien oft in ghettoartiger Konzentration leben. Schon beschworen manche das Schreckgespenst einer französischen Intifada: "Der Krieg darf sich nicht auf die französische Gesellschaft übertragen", warnte Premier Jean-Pierre Raffarin.

Mit einiger Beklemmung dämmert es den Politikern von rechts bis links, dass der entschiedene Anti-Kriegs-Kurs von Präsident Jacques Chirac die Gefahr paradoxerweise verstärkt hat. Die nationale Einheit rund um den Staatschef wird nämlich von der radikalen muslimischen Minderheit als Rechtfertigung ihres Grolls interpretiert - und der entlädt sich immer öfter in gewalttätigen Zwischenfällen.

"Da unten sind Juden", schrien Araber, die bei einem Friedensmarsch irakische und palästinensische Fahnen schwenkten. Als der Zug am Vereinslokal der linken, zionistischen Jugendbewegung Haschomer Hazair vorbeikam, stürzte sich eine Gruppe mit Eisenstangen auf ein paar Juden, die gerade aus dem Gebäude traten. "Im Koran steht: ,Was man euch angetan hat, könnt ihr anderen antun", feuerten arabische Demonstranten die Schläger an.

Israelische Fahnen, die mit einem Hakenkreuz beschmiert werden; Transparente mit der Inschrift "Jerusalem gehört uns" (Parolen wie "USA - Barbarenstaat, Judenstaat - Verbrecherstaat" sind inzwischen mehr als vereinzelte Entgleisungen, wie es die Organisatoren der Kundgebungen gern verharmlosen. Selbstkritisch fragen sich führende Politiker, ob sie nicht mitverantwortlich dafür sind, dass der böse Geist aus der Flasche entweicht.

Frankreich hat zugleich die größte jüdische und die größte muslimische Gemeinde in Europa, mit 600.000 und etwa 5 Millionen Mitgliedern. Die in ihrem offiziellen Selbstverständnis laizistische Republik, in der theoretisch alle Bürger ungeachtet ihres Glaubens, ihrer Rasse und ihrer Herkunft eine aufgeklärte Gemeinschaft von Gleichen bilden sollen, fürchtet die multikulturelle Zersplitterung und den Schock der Kulturen.

Die bedrohlichen Anzeichen sind unübersehbar. Die Zahl rassistisch bedingter Gewalttaten hat sich in den vergangenen zwei Jahren nach Untersuchungen einer Menschenrechtskommission mehr als verdoppelt. Und die Mehrzahl - über 60 Prozent - richtet sich gegen die jüdische Gemeinde. "Jeder antisemitische Zwischenfall ist ein Fleck auf der Republik", verkündete Innenminister Nicolas Sarkozy.

Moderate Muslim-Führer wie der Rektor der Großen Moschee in Paris, Dalil Boubakeur, zeigen sich äußerst beunruhigt: "Der Islam in Frankreich wird sich verhärten. Die Extremisten haben schöne Tage vor sich." Die Bomben auf Bagdad, fürchtet Boubakeur, könnten den Radikalen bei den bevorstehenden Wahlen für den neu geschaffenen Rat der muslimischen Glaubensgemeinschaft in Frankreich auf Anhieb die Mehrheit verschaffen.

Ungläubig vernahm die politische Führungsklasse, dass sich Meinungsforschern zufolge ein ganzes Viertel der Befragten "auf Seiten des Irak" fühlt - gegen 34 Prozent, die eher zu Briten und Amerikanern neigen. "Die Amerikaner sind nicht unsere Feinde. Wir stehen im Lager der Demokratie", versuchte Premier Raffarin zu korrigieren.

Die maghrebinischen Demonstranten sehen das anders. "Busharon", der US-Präsident und der israelische Ministerpräsident, sind für sie eine einzige Feindfigur. "Wir sind alle Palästinenser, wir sind alle Iraker, wir sind alle Kamikaze", sangen arabische Halbwüchsige, nicht alter als 14, bei der letzten Kundgebung. Unbekannte schändeten einen britischen Soldatenfriedhof aus dem Zweiten Weltkrieg: "Saddam wird siegen und euer Blut vergießen", pinselten sie auf die Gräber.

Der unerwartet hartnäckige Widerstand der Iraker hat die jungen "beurs", wie sich die in Frankreich geborenen Einwanderer-Kinder nennen, mit Stolz erfüllt. Doch die Demütigung wird unweigerlich kommen. Und die Wut könnte sich dann auch, so die Befürchtung von Soziologen, gegen den französischen Staat wenden.

Der Präsident schweigt bislang dazu. "Jacques Chirac, König der beurs", überschrieb die Zeitung "Libération" vor kurzem einen Artikel über das Buhlen des Staatschefs und die arabischstämmigen Wähler. Wenn die jungen Maghrebiner am kommenden Samstag wieder marschieren, könnte ihm das wie Hohn in den Ohren klingen. ROMAIN LEICK

Der Spiegel, 15/2003, Seite 172
*Archiv-Überschrift im Spiegel-online zu diesem Artikel