Jüdische Studien 2003

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80 Prozent der amerikanischen Kongressabgeordneten arbeiten für die Interessen Israels

Eine perfekt geölte Spendenmaschine

Mit Kompetenz und vollen Kassen gewinnt die jüdische Lobby 80 Prozent der Kongressabgeordneten für die Interessen Israels.

Das Fundament für den Erfolg der Israel-Lobby legt das «Fussvolk» der Aipac (American Israel Public Affairs Committee). 60.000 Mitglieder zählt die Lobby im ganzen Land. Diese können jederzeit aufgeboten werden, um Kongressmitglieder von den Anliegen Israels zu überzeugen. Der Schlüssel zum Erfolg ist Geld. «Die Israel-Lobby ist eine ethnische Spendenmaschine», schreibt Michael Lind in einer Analyse für das renommierte, britische «Prospect»-Magazin. Die Lobby setzt im ganzen Land auf höchst effiziente Weise Kampagnengelder ein, «um auch dort gezielt Kongressmitglieder zu beeinflussen, wo wenig jüdische Wähler wohnen».

Ein typisches Beispiel von exzellentem Lobbying ist der heutige Senatsvorsitzende Tom Daschle. Als der Demokrat 1986 erstmals für den Senat kandidierte, war seine Einstellung gegenüber Israel indifferent. Aipac entschloss sich, Daschle zu «kultivieren», wie es im Lobbyjargon heisst. Die Lobby finanzierte ein Viertel von Daschles Wahlkampagne, die rund zwei Millionen Dollar kostete. In den folgenden Wahlkämpfen erhielt Daschle von Aipac wiederum ähnliche Summen. Die hohen Investitionen zahlten sich aus. Während Daschle die Leiter im Senat emporstieg, wurde er zu einem zuverlässigen Vorkämpfer für die Interessen Israels. Auf diese Weise wurden in den letzten Jahrzehnten Hunderte von Abgeordneten beider grossen Parteien mit Spenden und intensivem Lobbying für die Interessen Israels gewonnen. (Ein Überblick über die einzelnen Spenden findet sich auf der Website der Federal Election Commission, www.fec.doc.)

In der Hauptstadt ergänzt die Aipac-Zentrale mit 130 hoch motivierten Experten die Arbeit des «Fussvolks». Wenn im Kongress ein Geschäft auf der Agenda steht, das für Israel von Relevanz ist, verschicken sie an alle Abgeordneten einen «Talking Point Report», in dem die Anliegen der Lobby knapp zusammengefasst sind.

Zwecks Kontrolle führt Aipac eine detaillierte Liste über das Abstimmungsverhalten jedes einzelnen Kongressmitglieds. Zögernde Parlamentarier erhalten vor den Abstimmungen eine spezielle Behandlung», meist ein direktes Gespräch, bei dem mit Nachdruck an die Interessen Israels erinnert wird. Wie effizient die hartnäckige Arbeit der Israel-Lobby ist, weiss William Quandt, Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates unter den Präsidenten Nixon und Carter: «70 bis 80 Prozent aller Kongressabgeordneten stimmen in den für Israel relevanten Fragen nach den Anweisungen von Aipac.»

Hoenleins Draht ins Weisse Haus

Unterstützt wird die Arbeit von Aipac durch die zweite grosse jüdische Lobby, die so genannte Präsidentenkonferenz (Conference of Presidents of Major American Jewish Organizations), einem Bündnis von 51 jüdischen Organisationen. Zwischen den beiden Lobbys herrscht strikte Arbeitsteilung. Während sich Aipac auf den Kongress konzentriert, ist die Präsidentenkonferenz auf das Lobbying in der US-Regierung spezialisiert.

Die Arbeit der Präsidentenkonferenz wird dominiert von ihrem Chef, Malcolm Hoenlein. Der Abkömmling einer jüdisch-orthodoxen Familie aus Philadelphia wurde von der Zeitung «Forward» als einflussreichster jüdischer Amerikaner bezeichnet. Ein höher US-Diplomat beschrieb ihn sogar als die einflussreichste Privatperson in der amerikanischen Aussenpolitik. Dank seiner energischen Art und seiner profunden Nahostkenntnis öffnete er die Türen zu allen Abteilungen der US-Regierung.

Täglich steht Hoenlein mit dem Aussenministerium, einem Präsidentenberater oder einem Botschafter in Kontakt, um die US-Politik auf lsraelkurs zu bringen. Wie die Aipac-Führung verfolgt auch Hoenlein eine dezidiert konservative Politik. Offiziell gibt sich der 56-Jährige zwar moderat und allen israelischen Regierungen verpflichtet. Seine Sympathie für Ariel Sharon und die Likud-Partei ist in Washington jedoch ein offenes Geheimnis. Keinen Hehl macht Hoenlein aus seiner Ablehnung israelischer Kompromisse gegenüber den Palästinensern. Jahrelang sammelte er Geld für Bet El, eine der umstrittensten Siedlungen im Westjordanland. Sein Engagement für die Siedler rechtfertigt er so: «Juden haben das Recht, in Judäa und Samaria, dem alten jüdischen Heimatland, zu leben - genauso wie sie das Recht haben, in Paris oder Washington zu leben.»

(Quelle: Tages-Anzeiger, Basel, 22.4.2002)